Diskussion

Ein Like zu viel: Die politische Note im Sport

Der Torjubel der Türken beim 1:0-Sieg in Albanien.
Der Torjubel der Türken beim 1:0-Sieg in Albanien. (c) REUTERS (HUSEYIN ALDEMIR)
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Deutschlands Teamspieler Ilkay Gündogan und Emre Can posteten Likes zu einem Foto, das türkische Fußballer mit Militär-Salut als Torjubel zeigt. Eine Debatte über das schlechte (politische) Gewissen.

Darf ein deutscher Teamspieler einem Freund aus Jugendtagen beim Salut für das türkische Militär applaudieren? Auf Instagram ein Like setzen, weil sechs Spieler ein Tor in der EM-Qualifikation so feiern? In Deutschland läuft aktuell diese verbitterte Diskussion zwischen Türken, Deutsch-Türken und Deutschen. Allesamt waidwund ob katastrophaler Krisenkommunikation und misslungener Aufarbeitung seit der WM 2018 und einem Foto, das den türkischen Präsidenten, Recep Tayyip Erdoğan, mit DFB-Stars wie Mesut Özil und Ilkay Gündogan zeigte.

Die Likes zweier DFB-Fußballer beim Foto von Cenk Tosuns Siegtor gegen Albanien setzten erneut die Debatte über politisches Gewissen und Integration in Gang. Gündogan und Emre Can standen zwar beim 3:0 in Tallinn auf dem Platz. Ihr Onlineauftritt erregt aber mehr Aufmerksamkeit als Tore und die Rote Karte.

War es bloß ein Like, wie es jedem einmal unbedacht auskommt, der auf dem Smartphone durch seine Timeline scrollt, oder hat es doch eine politische Note? Joachim Löw („Man kann jetzt doch nicht allen unterstellen, dass sie für Krieg und Terror sind!“) und DFB-Direktor Oliver Bierhoff verteidigten ihre Spieler. Es klang offensiv und mutete doch bloß wie Schadensbegrenzung an.

Der Militärgruß sei den bei der „Operation Friedensquelle“ eingesetzten Soldaten gewidmet gewesen, erklärte der türkische Fußballverband. Der Militäreinsatz richtet sich gegen die Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien und ist höchst umstritten. Gündogan und Can nahmen ihre Likes später wieder zurück. Beide beteuerten ihre Verwunderung über das Ausmaß der Aufregung – und auch, dass keinerlei politische Intention dahinterstecke. Sie seien Pazifisten.

Solche Grüße aber im Sport, auf einer so großen Plattform, zu verschicken, ist ebenso kein Zufall wie die darauffolgende Empörung. Weder im Team noch bei diversen deutschen Klubs, die bei ihren Spielern Aufklärungsbedarf orten. Während es beim DFB offenbar keine Richtlinien in puncto Onlineaktivitäten gibt, wird die Uefa aktiv: Sie leitete ein Verfahren gegen den türkischen Verband ein. Die Kontroll-, Ethik- und Disziplinarkammer tagt am Donnerstag, und Sanktionen sind nicht ausgeschlossen.

Große Organisationen wie Uefa, Fifa oder IOC untersagen ihren Protagonisten politische Bekundungen jeder Art. Sie lassen ob vieler Sichtweisen zu viele Interpretationen zu. Vor allem: Sie sind schlecht für das Geschäft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2019)

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