Syrien-Offensive

Kurdenmiliz will Ras al-Ain zurückerobert haben

Um Ras al-Ain wird intensiv gekämpft.
Um Ras al-Ain wird intensiv gekämpft.APA/AFP/OZAN KOSE
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Heftige Kämpfe toben in Nordsyrien. Nachdem Washington mit dem Abzug von US-Truppen den türkischen Einmarsch in Nordsyrien ebnete, verlangt der US-Präsident einen Waffenstillstand.

Trotz der US-Forderung nach einer sofortigen Waffenruhe und Sanktionen liefern sich die türkischen Truppen in Nordsyrien weiter erbitterte Kämpfe mit der Kurdenmiliz YPG. Die von der YPG geführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) hätten einen Gegenangriff begonnen und die wichtige Grenzstadt Ras al-Ain zurückerobert, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Dienstag.

Türkische Truppen hatten den Ort mit Unterstützung von Rebellen der sogenannten Syrischen Nationalarmee zwei Tage zuvor unter ihre Kontrolle gebracht. Kurdische Quellen bestätigten den Gegenangriff und die Eroberung von Ras al-Ain. Die Kurdenmilizen hätten auch das nahe gelegene Dorf Tall Halaf am Stadtrand von Ras al-Ain eingenommen. Eine offizielle Bestätigung aus Ankara gab es nicht.

Der Sender CNN Türk berichtete, in der Nacht habe es schwere Gefechte in Ras al-Ain gegeben. Türkische Truppen versuchten, YPG-Kämpfer in Verstecken aufzuspüren. In der Stadt Manbij wurde nach offiziellen Angaben ein türkischer Soldat getötet und 18 weitere verletzt.

>>> Syrien: Türkei treibt Kurden in Assads Arme

Großbritannien stoppt Waffenlieferungen

Nach anderen europäischen Ländern erklärte am Dienstag auch Großbritannien, es würden vorerst keine Waffen mehr an die Türkei geliefert, die für die Militäroffensive in Nordsyrien genutzt werden könnten. Man werde den Export sehr genau kontrollieren, sagte Außenminister Dominic Raab. Die britische Regierung sei von der Militäroffensive der Türkei "tief enttäuscht".

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg äußerte nach einem Gespräch mit dem britischen Premierminister Boris Johnson Verständnis für das Vorgehen. "Es zeigt, dass viele Nato-Staaten sehr kritisch sind und die Militäroperation in Syrien verurteilen", sagte der Norweger. Er selbst habe bereits am Freitag ernsthafte Bedenken geäußert.

Nach Angaben von Stoltenberg werden sich an diesem Mittwoch erneut die Nato-Botschafter der Mitgliedstaaten bei einer Sitzung des Nordatlantikrats mit der Lage in Nordsyrien beschäftigen. Ende kommender Woche soll sie dann auch Thema bei einem Nato-Verteidigungsministertreffen sein.

Eine Verurteilung der türkischen Offensive durch die Nato ist allerdings ausgeschlossen, weil Beschlüsse im Bündnis ausschließlich auf Grundlage des Konsensprinzips gefasst werden. Als Nato-Mitglied hat die Türkei damit bei allen Entscheidungen ein Veto-Recht.

Nach Angaben der UN-Organisation für Migration (IOM) sind bereits mindestens 190.000 Menschen vor den Kämpfen geflohen. Rund 2000 seien auf dem Weg zum Irak, berichtete das UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) in Genf. Die meisten fliehen vor dem türkischen Militär und mit ihm verbundenen syrischen Kampfgruppen nach Süden und kommen teilweise bei Verwandten unter, wie das UN-Nothilfebüro (OCHA) berichtete. Reporter ohne Grenzen verurteilte Angriffe auf Journalisten in der Region scharf und forderte die Türkei auf, UN-Resolutionen zum Schutz von Reportern in Kriegsgebieten einzuhalten.

Die Türkei hatte die seit langem geplante Offensive im syrisch-türkischen Grenzgebiet vergangenen Mittwoch begonnen. Ankara begründet den Einsatz mit dem Recht auf Selbstverteidigung. Die Türkei betrachtet die Kurdenmiliz YPG sowie deren politischen Arm PYD als Terrororganisationen. Die YPG pflegt enge Kontakte zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die auch in den USA und in Europa auf der Terrorliste steht.

Russische Truppen übernehmen Manbij

Am Montag waren auch syrische Regierungstruppen von Präsident Bashar al-Assad in dem kurdisch kontrollierten Norden des Landes eingetroffen. Sie werden von Russland unterstützt. Die SDF hatten sich nach dem angekündigten Abzug der US-Truppen hilfesuchend an Damaskus und Russland gewandt, die Vereinbarung zugleich aber als "schmerzhaften Kompromiss" bezeichnet. Russlands Syrien-Beauftragter Alexander Lawrentjew sagte der Agentur Tass, Russland werde eine direkte Konfrontation zwischen türkischer und syrischer Armee nicht zulassen.

Die staatliche Nachrichtenagentur Sana berichtete, 150 US-Soldaten hätten sich von Manbij aus auf den Weg in den Irak gemacht. Auch das russische Verteidigungsministerium teilte der Agentur Interfax zufolge mit, dass die US-Truppen Manbij in Richtung Irak verlassen hätten. Das russische Militär patrouilliere in der Gegend.

Die USA hatten am Montag wegen der Militäroffensive Sanktionen gegen türkische Minister verhängt und eine sofortige Waffenruhe gefordert. US-Präsident Donald Trump will seinen Vize Mike Pence so bald wie möglich zur Vermittlung zwischen den Kurden und den Türken nach Ankara schicken.

Strafmaßnahmen wurden gegen Verteidigungsminister Hulusi Akar, Energieminister Fatih Donmez sowie Innenminister Süleyman Soylu verhängt. Mögliches Vermögen der Betroffenen in den USA wird eingefroren. Trump kündigte zudem die Anhebung von Strafzöllen auf Stahlimporte aus der Türkei auf 50 Prozent an. Verhandlungen über ein Handelsabkommen würden "umgehend" abgebrochen.

Die US-Sanktionen fielen allerdings nicht so scharf aus wie erwartet. Am Dienstag erholten sich türkische Aktien vom Einbruch am Vortag. Auch am Devisenmarkt hinterließen die jüngsten politischen Entwicklungen kaum Spuren. Die türkische Lira hatte zum Wochenstart im Vergleich zum US-Dollar sogar etwas zugelegt. Am Dienstag gab sie ein wenig nach.

(APA/dpa/Reuters/AFP)

(APA/dpa)

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