Aufstieg in China

Deutsche Bank: Ein Kristalltiger für 15.000 Dollar

(c) REUTERS (Carlos Barria)
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Das größte deutsche Geldhaus soll sich den Aufstieg in China mit einem System von Gefälligkeiten erkauft haben, ergaben umfangreiche Recherchen mehrerer Medien. Auch bei der Danske Bank stehen die Deutschen unter Druck.

Frankfurt. Es ist nicht der erste Skandal, in den die Deutsche Bank verwickelt ist. Am Dienstag kam das größte deutsche Geldinstitut gleich doppelt in die Schlagzeilen – nicht gerade ein guter Tag für Bankchef Christian Sewing, der angesichts des sieben Milliarden Euro teuren Konzernumbaus mit dem Abbau von 18.000 Mitarbeitern ohnedies schwer unter Druck ist.

Diesmal geht es nicht etwa um Absprachen beim Libor-Zinssatz oder die Hinterziehung der Umsatzsteuer beim Handel mit CO2-Zertifikaten, sondern um ein jahrelang geübtes System an Gefälligkeiten und Geschenken, um in China Fuß zu fassen. Die Deutsche Bank soll sich von 2002 bis 2014 mithilfe von Geschenken und Gefälligkeiten Zugang zu mächtigen Politikern und Managern in China verschafft haben. Internen Unterlagen zufolge verteilte sie kostbare Präsente im Gesamtwert von mehr als 200.000 Dollar an hochrangige Kader. Präsident Jiang Zemin, Ministerpräsident Wen Jiabao und Vizepremier Zeng Peiyan hätten Geschenke wie einen Kristalltiger für 15.000 Dollar, ein Fernsehgerät oder eine Hifi-Anlage erhalten. Das berichten die „Süddeutsche Zeitung“, WDR und die „New York Times“ auf Basis der Auswertung bankinterner Unterlagen.

„Gezielte“ Personalpolitik

Zudem heuerte die Bank offenbar dubiose Berater an, unter anderem einen Mann, der der Familie von Premier Wen nahestand. Er bekam den Dokumenten zufolge zwei Millionen Euro, weil er der Bank half, Anteile der staatlich kontrollierten Huaxia-Bank zu übernehmen. Weitere 100.000 Dollar sollen an eine mutmaßliche Briefkastenfirma gegangen sein, um ein Treffen zwischen dem damaligen Deutsche-Bank-Chef, Josef Ackermann, und Staatspräsident Jiang im Februar 2002 zu ermöglichen.

Außerdem stellte die Bank mehr als 100 Kinder von bestehenden oder künftigen Geschäftspartnern ein. Meist handelte es sich bei den Eltern um Manager staatlicher Unternehmen, von denen sich die Deutsche Bank Aufträge erhoffte. Die Strategie ging offenbar auf: Einige der damals bedachten Kader gehören mittlerweile zum höchsten Führungszirkel der chinesischen Macht, dem Ständigen Ausschuss des Politbüros. So arbeiteten etwa die Töchter von Wang Yang und Li Zhanshu für das Geldhaus. Wang war früher Parteichef der Provinz Guangdong, danach Vizepremierminister, derzeit ist er der Chef der chinesischen Konsultativkonferenz. Li Zhanshu ist Parlamentspräsident.

Ins Rollen kam die Geschichte durch Medienberichte im September 2013, wonach die US-Bank JP Morgan Chase Probleme mit der Bankenaufsicht hatte, weil sie Kinder einflussreicher Chinesen eingestellt hatte. Die Deutsche Bank überprüfte daraufhin ihre eigene Personalpolitik in China. Wenig später verlangte die US-Börsenaufsicht SEC auch von der Deutschen Bank Auskunft über deren Einstellungspraxis. Mithilfe von zwei US-Anwaltskanzleien wurden Dokumente gesichtet und Mitarbeiter aus dem Asien-Pazifik-Geschäft befragt. Die Kanzlei Allen & Overy fand heraus, dass 19 Mitarbeiter mit familiären Beziehungen mit 103 Geschäften in Verbindung standen, mit denen die Bank einen Umsatz knapp 190 Millionen Dollar erzielt hatte.

Im August gab es einen Vergleich, nachdem die SEC festgestellt hatte, dass die Bank zwischen 2006 und 2014 mit ihrer Personalpolitik in verschiedenen Ländern gegen ein US-Gesetz zur Bestechung im Ausland verstoßen hatte. Mitarbeiter der Bank hätten Unterlagen gefälscht, um die korrupte Einstellungspraxis zu vertuschen. Die Bank habe diese Praxis erst 2015 beendet. Laut SEC hat sich die Deutsche Bank durch korrupte Geschäfte in China und Russland um knapp elf Mio. Dollar bereichert. Als Teil des Vergleichs musste die Bank diesen Betrag an die SEC abführen. Inklusive Zinsen und einer Geldbuße von drei Mio. Dollar machte die Strafe rund 16 Millionen Dollar aus. Das war glimpflich im Vergleich zu JP Morgan Chase, die 2016 264,4 Millionen Dollar an das US-Justizministerium zahlen musste.

Ex-Vorstandschef Josef Ackermann will von dem Geschenkesystem nichts mitbekommen haben. Ein hochrangiger Mitarbeiter hat bei den internen Untersuchungen angegeben, dass Ackermann zwar nie verlangt habe, Regeln zu brechen oder Schmiergeld zu zahlen. Er habe aber enormen Erfolgsdruck ausgeübt.

Geldwäschefälle zu spät gemeldet?

Nicht weniger brisant ist der Vorwurf eines Insiders, wonach die Deutsche Bank verdächtige Geldwäschetransaktionen im Zusammenhang mit der Danske Bank jahrelang nicht offengelegt habe. Mehr als eine Million Fälle seien von dem Geldhaus erst im Februar 2019 bekannt gemacht worden. Bereits fünf Jahre zuvor hatte ein Whistleblower den Geldwäscheskandal bei der Danske Bank ins Rollen gebracht. Mit 1,1 Millionen Transaktionen in den Jahren 2014 und 2015 würden sich nun die Ermittlungsbehörden befassen, sagte der Insider. So werde etwa untersucht, ob die Verantwortung für die verdächtigen Geldtransfers bei einzelnen Mitarbeitern oder bei der Führung der Deutschen Bank liege.

Die Deutsche Bank war jahrelang als Korrespondenzbank für das dänische Geldhaus tätig, das im Zentrum des weltgrößten Geldwäscheskandals steht. Über die Filiale der Danske Bank in Estland sind von 2007 bis 2015 verdächtige Zahlungen im Volumen von 200 Mrd. Euro gelaufen. Ende September haben Ermittler der Staatsanwaltschaft und des Bundeskriminalamts in der Zentrale der Bank Unterlagen in diesem Zusammenhang sichergestellt.

Die Deutsche Bank verwies in einer schriftlichen Stellungnahme auf die laufenden internen Untersuchungen zu diesem Thema. „Diese Vorfälle reichen bis ins Jahr 2002 zurück und wurden angemessen behandelt. Die Deutsche Bank führt aus eigenem Antrieb interne Untersuchungen durch, um Fehler und Mängel der Vergangenheit zu identifizieren und zu beheben.“ Fehlverhalten sei an Behörden gemeldet worden. Wo Schwachstellen gefunden worden seien, habe die Bank Gegenmaßnahmen ergriffen.  (eid/ag.)

Auf einen Blick

Die Deutsche Bank steht erneut unter Beschuss. Recherchen von „Süddeutscher Zeitung“, WDR und „New York Times“ zufolge bedachte das Institut hochrangige chinesische Politiker und Manager staatseigener Betriebe nach 2002 jahrelang mit Geldzahlungen und Geschenken. Außerdem seien mehr als 100 Kinder einflussreicher Kader, Beamter oder Manager staatseigener Betriebe eingestellt worden, um Beziehungen aufzubessern.

Im Geldwäscheskandal der Danske Bank soll die Deutsche Bank, die jahrelang als Korrespondenzbank fungierte, verdächtige Geldwäschetransaktionen nicht bzw. zu spät offengelegt haben. Mehr als eine Million Fälle seien erst im Februar 2019 bekannt gemacht worden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2019)

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