Land der Keller

Wo ein Österreicher ist, glaubt man den Keller nicht weit

NETHERLANDS-CRIME-SOCIAL-FAMILY
NETHERLANDS-CRIME-SOCIAL-FAMILYAPA/ANP/VINCENT JANNINK
  • Drucken

Ein Wiener sperrt eine holländische Familie auf einem Bauernhof ein. Oberirdisch, nicht im Keller. Aber dieser Irrtum war nicht verwunderlich.

Fast hätten wir es schon wieder getan. Einmal mehr stellte die Welt teils entsetzt, teils gehässig fest: Diese abgründigen Österreicher haben es mit den Kellern. Erst die Montagegrube unter einer Garage in Strasshof, dann der unterirdische Horror von Amstetten, und nun angeblich das Souterrain einer Farm, mit einem Wegsperrer, der zu allem Überfluss wieder Josef heißt und schon deshalb als Österreicher heraussticht, weil er von lauter harmlosen Holländern umgeben ist. Aber dann winkte die niederländische Polizei Mittwoch Nachmittag ab: Der Wiener hielt die Familie oberirdisch fest. Dass die Keller-Falschmeldung auf so fruchtbaren Boden fiel, muss uns freilich zu denken geben. Typisch österreichisch eben, hätte es sehr bald geheißen, so wie die unbewältigte NS-Vergangenheit, samt Wegschauen, Totschweigen und Verdrängen.

Alles seit Waldheim überwunden? Oder gar nur Klischees aus der Küchenpsychologie? Ein Verdacht drängt sich jedenfalls auf: Wir liefern einfach zu viel Material für Assoziationen. Ihre größte skulpturale Pracht entfalteten die Habsburger unterhalb eines Kapuzinerklosters. Die Kellergassen, wo wir uns im feuchten Dämmer vom Wein benebeln lassen, gibt es praktisch nur hierzulande. Für die Nazi-Schergen waren die Donau- und Alpengaue erst der „Luftschutzkeller des Reiches“, dann die Alpenfestung mit unter die Erde verlagerten Rüstungsfabriken, vom Zipfer Brauereikeller bis zum „Kellerbau“ beim KZ Gusen. Und seit der Wiener Sigmund Freud die Menschen mit der Erkenntnis schockierte, dass sie „nicht Herr im eigenen Haus“ sind, erfreut sich die Metapher vom Unbewussten als „Keller der Seele“ robuster Beliebtheit. Dort unten steht das Triebwerk, das unser Ich im Parterre in Bewegung hält und dem Über-Ich in der Beletage ins Handwerk pfuscht.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Was genau auf diesem abgeschiedenen Hof in den Niederlanden vor sich ging, ist noch Gegenstand von Ermittlungen.
Niederlande

Isolierte Familie: 67-jähriger verbreitete religiöse Botschaften im Internet

Der Vater der im niederländischen Ruinerwold gefundenen, abgeschieden lebenden jungen Menschen bleibt ebenso in Haft wie der österreichische Hof-Mieter.
Niederlande

Isolierte Familie: Immer mehr deutet auf religiöse Hintergründe hin

Nicht nur der Österreicher Josef B. gerät nun ins Visier der Ermittler. Der leibliche Vater soll seine Kinder neun Jahre festgehalten haben.
Der Bauernhof in Ruinerwold in den Niederlanden
Niederlande

Vater der isolierten Familie gab an, 2009 ausgewandert zu sein

Der Vater der isolierten Familie auf einem Bauernhof in den Niederlanden hat vor zehn Jahren bei den Behörden seine Auswanderung gemeldet. Der 67-jährige Gerrit Jan van D. wird unter anderem der Freiheitsberaubung verdächtigt.
Niederlande/Österreich

Isolierte Familie: Zwei Verhaftungen, ungeklärte Identitäten, Verdacht auf Geldwäsche

58-jähriger Österreicher seit Donnerstag in U-Haft, 67-jähriger Vater der Familie festgenommen. Verdacht der Freiheitsberaubung, der Misshandlung und Geldwäsche. Sektenhintergrund weiter unklar.
Bauernhof in Ruinerwold
Niederlande

Polizei bestätigt: Kinder gegen ihren Willen festgehalten

Nach „Josef, dem Österreicher“ ist nun auch der Vater der isolierten Familie festgenommen worden. Auch er wird der Freiheitsberaubung, Misshandlung und Geldwäsche verdächtigt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.