Lagebericht

Worunter Österreichs Kinder leiden

17 Prozent der elf- bis 17-jährigen Schüler sind laut der jüngsten Erhebung von WHO und Gesundheitsministerium übergewichtig oder adipös.
17 Prozent der elf- bis 17-jährigen Schüler sind laut der jüngsten Erhebung von WHO und Gesundheitsministerium übergewichtig oder adipös. imago/photothek
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Übergewicht und großer psychischer Druck belasten Österreichs Junge am häufigsten. Bildung ist ein Ausweg.

Wien. Sie trinken weniger Alkohol, greifen seltener zur Zigarette, essen mehr Obst und mobben einander nicht mehr so viel wie noch vor zehn Jahren. Trotzdem schlug die österreichische Kinderliga Alarm, als sie am Mittwoch ihren Lagebericht zur Kinder- und Jugendgesundheit präsentierte. „Wir Erwachsenen vernachlässigen unsere Verantwortung“, sagt Kinderliga-Geschäftsführerin Caroline Culen. In einigen Bereichen würde Österreich „nachhinken oder ganz auslassen“ und Kinder „systematisch vernachlässigen“.

Übergewicht

Auch in Österreich zeigt sich der internationale Trend, dass Kinder und Jugendliche immer dicker werden. 17 Prozent der elf- bis 17-jährigen Schüler sind laut der jüngsten Erhebung von WHO und Gesundheitsministerium übergewichtig oder adipös. 2010 waren es noch 14 Prozent.

Auch erfolgreiche Schulinitiativen für gesünderes Essen würden nur wenig ausrichten. „Kinder essen mehr Obst und trinken weniger Softdrinks, die Effekte sind trotzdem marginal“, sagte die Studienautorin Rosemarie Felder-Puig vom Institut für Gesundheitsförderung und Prävention. Mangelnde Bewegung, Schlafprobleme und psychischer Druck, der oft mit Essen kompensiert würde, seien Gründe für diese Entwicklung.

Psyche

Schlechte Laune, Nervosität oder ständige Niedergeschlagenheit – was nach normalem Teenageralltag klingt, sind oftmals Alarmzeichen. Fast ein Viertel aller Jugendlichen leidet laut einer Studie der Medizin-Uni Wien an Symptomen einer psychischen Erkrankung. Die Kinderliga kritisierte in diesem Zusammenhang die mangelnde medizinische Betreuung: Zu oft müssten Kinder „Wochen oder Monate“ auf einen durch die Krankenkassa gedeckten Behandlungsplatz warten, sagt Culen.

Kinderarmut

Denn gesundheitliche Versorgung sei auch eine Frage des sozialen Hintergrunds. „Armut macht körperlich und seelisch krank“, sagte auch Kinderliga-Präsident Christoph Hackspiel. Über 300.000 Kinder in Österreich leben in Armut oder sind armutsgefährdet. Sie würden besonders unter dem System der „Zweiklassenmedizin“ leiden. Viele Kinder würden nicht die Behandlung bekommen, die sie brauchen. Die Maßnahmen der vorherigen Regierung hätten die Situation eher verschlimmert als verbessert. „Wir haben eine verstärkte Ausgrenzung von sozial Schwachen beobachtet“, sagt Hackspiel. „Sozialhilfe neu“ statt Mindestsicherung sei ein „Schritt in die falsche Richtung“ gewesen.

Chronisch krank

Handlungsbedarf sieht die Kinderliga auch bei den fast 200.000 Kindern und Jugendlichen mit chronischen und seltenen Erkrankungen. Nicht nur die medizinische Versorgung, auch die Inklusion in Schulen müsse verbessert werden. Betroffene Kinder könnten sehr oft nicht gleichgestellt an schulischen Aktivitäten teilnehmen, „Schulen sind dafür nicht eingerichtet“, sagt Hackspiel.

Bildung

Eine gute Bildung sei die beste Prävention gegen Armut und Krankheit, meinte Felder-Puig und forderte unter anderem mehr Sozialarbeiter und Psychologen, um die Lehrer zu unterstützen. Denn die seien es heutzutage in erster Linie, die den Kindern beibrächten, wie sie gesund bleiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2019)

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