Prozess

Anklage wegen Beihilfe zum 5230-fachen Mord: Ehemaliger KZ-Wachmann in Hamburg vor Gericht

Der 93-Jährige soll als Wachmann im Konzentrationslager Stutthof "die heimtückische und grausame Tötung insbesondere jüdischer Häftlinge“ unterstützt haben. 25 KZ-Überlebende sind Nebenkläger.

Vor dem Hamburger Landgericht beginnt am Donnerstagvormittag ein Prozess gegen einen ehemaligen SS-Wachmann im Konzentrationslager Stutthof. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 93-Jährigen vor, Beihilfe zum Mord an insgesamt 5230 Menschen geleistet zu haben. Als Wachmann habe er "die heimtückische und grausame Tötung insbesondere jüdischer Häftlinge unterstützt".

Dass er von August 1944 bis April 1945 in dem KZ bei Danzig tätig war, habe der Angeklagte bereits im Ermittlungsverfahren eingeräumt, sagte ein Gerichtssprecher. Zur Tatzeit war der Angeklagte erst 17 beziehungsweise 18 Jahre alt. Darum findet der Prozess vor einer Jugendstrafkammer statt.

Nach Angaben des Sprechers sind zwölf Verhandlungstage bis zum 17. Dezember vorgesehen. Jeder Prozesstag werde nicht länger als zwei Stunden dauern, weil der Angeklagte gesundheitlich angeschlagen sei. Rund 25 Überlebende des KZ treten als Nebenkläger auf. Sie kommen aus Polen, Israel, den USA, Australien, Kanada und Litauen. Am ersten Verhandlungstag soll die Anklage verlesen werden. Ferner wird eine Erklärung des Verteidigers erwartet.

Systematische Tötung von Lagerinsassen 

Im KZ Stutthof und seinen Nebenlagern sowie auf den sogenannten Todesmärschen zu Kriegsende starben nach Angaben der für die Aufklärung von NS-Verbrechen zuständigen Zentralstelle in Ludwigsburg rund 65.000 Menschen. Während der Wachtätigkeit des Angeklagten sei es zur systematischen Tötung von Lagerinsassen gekommen, teilte die Hamburger Staatsanwaltschaft mit. "Häftlinge wurden überwiegend durch Genickschuss im Krematorium des Lagers oder durch Verabreichung von Giftgas (Zyklon B) getötet." Zudem seien zahlreiche Personen durch gezielten Nahrungs- und Wasserentzug sowie Verweigerung medizinischer Versorgung ums Leben gekommen.

Der Exekutiv-Vizepräsident des Auschwitz-Komitees, Christoph Heubner, erklärte, die Nebenkläger hätten auf "diesen und die wenigen anderen NS-Prozesse in Deutschland" Jahrzehnte gewartet. "Dass nur ein Bruchteil der NS-Täter jemals vor einem deutschen Gericht gestanden hat, bleibt für die Überlebenden ein fortwährender Skandal in der deutschen Justizgeschichte und ist Ausdruck dafür, wie erfolgreich SS-Täter in die Gesellschaft zurückgekehrt sind, aus der sie nach Stutthof, Auschwitz oder Dachau aufgebrochen waren", so Heubner.

(APA)

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