Bardo Böhlefeld: Der Weltenbummler

Bardo Böhlefeld ist einer der Neuzugänge im Burgtheater-Ensemble von Martin Kušej. Wien kennt der Schauspieler schon, als eine von vielen Stationen in seinem Privat- und Berufsleben.

„Welcome to the club" – so begrüßte Intendant Martin Kušej Bardo Böhlefeld im November des Vorjahrs als neues Mitglied in „seinem" Burgtheater-Ensemble.„Es war mein angenehmstes Vorsprechen überhaupt. Alexandra Althoff, Martin Kušejs Stellvertreterin, war in einer Vorstellung von ,Die Hauptstadt‘ im Wiener Schauspielhaus. Da ist sie auf mich aufmerksam geworden und organisierte ein Arbeitstreffen. Ich sollte eine Szene aus Millers ,Hexenjagd‘ erarbeiten", erzählt Böhlefeld, der bis vor Kurzem in Berlin lebte.

Das Engagement kam „sehr unerwartet und sehr erfreulich. Davor habe ich zwei Jahre frei gearbeitet, das war auch eine schöne Zeit. Aber jetzt ist es toll, am Burgtheater zu sein. In Wien gibt es eine andere Theatertradition, ein anderes Bewusstsein dafür. Ich will mehr lernen und erfahren", so der 31-Jährige. Das Burgtheater also. Und die Stadt. Schon für die Schauspielhaus-Proben lebte Böhlefeld eine Zeit lang in Wien, „damals habe ich mich in die Stadt verliebt," meint der Diplomatensohn, der in Rom geboren wurde, als Kleinkind mit seiner Familie nach Johannesburg zog, wo er die Deutsche Schule besuchte. Späzer zog die Familie nach Bonn und schließlich nach Berlin. „Ich gehe nirgends so gern spazieren wie in Wien. Es ist ein Melting Pot der Kulturen. Und es ist so sauber."

Kleiner Mussolini. Die vielen Umzüge hätten ihn auch zum Schauspiel geführt, erzählt Böhlefeld. „Ich hatte schon als kleiner Junge den Wunsch, ruhiger zu werden. Über das Schulfach Darstellendes Spiel bin ich zum Theater gekommen." Wobei das mit dem Ruhigerwerden nicht auf Anhieb geklappt hat. „Mit 18, 19 hab ich auf der Schauspielschule vorgesprochen, die Dozenten haben gelacht und gemeint, ich springe herum wie ein kleiner Mussolini. Sie haben aber erkannt, dass ich fürs Theater brenne, und mir geraten, mich mal wirklich mit dem Theater zu befassen."

Diesen Rat hat Böhlefeld befolgt und einige Hospitanzen absolviert, nach dem Schauspielstudium (an der Universität der Künste Berlin) folgten Gastengagements am Deutschen Theater Berlin, in Potsdam und Bozen. Von 2014 bis 2017 gehörte er unter der Intendanz von Erich Sidler zum Ensemble des Deutschen Theaters Göttingen. Danach gastierte er u. a. am Schauspielhaus Hannover, am Berliner Ensemble und am Wiener Schauspielhaus.

Seine erste Rolle am Burgtheater ist der Graf Lerma in „Don Karlos" – die Inszenierung hat Martin Kušej aus München mitgenommen. „Da füge ich mich einfach in die Inszenierung und die Rolle ein", sagt Böhlefeld. Eine große Sache wird für den Schauspieler „Die Hermannsschlacht". Da spielt er den Ventidius, den Legaten von Rom – und wird als solcher, als Rache von Hermanns Frau Thusnelda (Bibiana Beglau), einem Bären zum Fraß vorgeworfen. Im Jahr 1809, inmitten von Kriegswirren und politischen Umwälzungen auf dem gesamten europäischen Kontinent, erfand Heinrich von Kleist sein unheimliches Kriegsepos. Hermann, der Fürst der Cherusker (Markus Scheumann), ist ein Bühnenheld, der die Hoffnungen an die Aufklärung und Werte der Menschenrechte schon wenige Jahre nach ihrer Erfindung mit nihilistischer Radikalität auslöscht. Er schreckt nicht davor zurück, seine Frau und seine eigenen Kinder in das komplexe Geflecht von kriegerischen Manövern und populistischer Verbreitung von Aggression zu verwickeln. Schließlich gelingt es ihm, seinen Gegner in die Düsternis des Teutoburger Walds zu locken, wo er diesen vernichtend schlägt. Bardo: „Es ist ein sehr treffendes Stück für unsere Zeit. Allein die Kraft des Textes und die Auswahl des Stücks machen es schon zu einem Politikum. Hermann ist ein Antiheld, sein gefährliches Verführungskons­trukt wird offenbart. Es wird sehr spannend."

Erste Proben gab es schon, die spektakulärste war eine öffentliche Leseprobe im Wörthersee-Stadion: Am 1. Oktober wurde der „For Forest"-Wald von Klaus Littmann für die das Burgtheater-Ensemble zum Teutoburger Wald.

Kontakt zum Publikum. Sprachlich zieht Böhlefeld – der auch im Film zuhause ist – zeitgenössische Stücke Klassikern vor. „Da fühle ich mich wahrhaftiger. Der Zuschauer kann das besser verorten." Hat das Theater bei den Jungen neben sozialen Medien, Streamingdiensten und Kino-Blockbustern überhaupt eine Chance. „Ja ...", ist der Schauspieler überzeugt, „...die Unmittelbarkeit zieht immer. Dass auf der Bühne etwas live passiert, dass da eine Identifikationsfigur ist oder ein warnendes Exempel, das wird immer Menschen begeistern." Obwohl er sich auch selbst an der Nase nehmen muss. „Ich bin auch jemand, der manchmal sehr gern zu Hause einen Film schaut, statt mich aufzuraffen, hinzugehen und drei Stunden ein Theater anzusehen, wo ich nicht weiß, was mich erwartet." Helfen soziale Medien dem Theater? Böhlefeld ist auf Facebook und Instagram, postet regelmäßig Bilder seiner Produktionen. „Auf jeden Fall. Ich denke schon, dass man so Leute erreicht, die sonst nicht ins Theater gehen würden. Darum geht es ja. Kontakt zu seinem Publikum herzustellen. Das möchte ich auch am Burgtheater umsetzen, etwa durch Gespräche nach der Aufführung."

Tipp

„Don Karlos". Premiere am 31. 10, Böhlefeld spielt Graf Lerma. In der „Hermannsschlacht" ist er Ventidius, Legat von Rom (Premiere 28. 11.).

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