Debatte um Handke

„Keine Beweise dafür, dass Handke dem Blutvergießen Tribut zollte“

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Zwei Mitglieder der schwedischen Akademie verteidigen die umstrittene Entscheidung, den Literaturnobelpreis an Peter Handke zu vergeben. Er habe das Srebrenica-Massaker klar verurteilt.

So umstritten die Entscheidungen der Jury des Literaturnobelpreises manchmal auch sind, verteidigen tut sich die Schwedische Akademie üblicherweise nicht. Nun haben sich aber zwei der derzeit 18 Mitglieder in einer Stellungnahme in der schwedischen Zeitung „Dagens Nyheter“ zu Wort gemeldet. Darin gehen sie auf die scharfe Kritik an der Vergabe an den österreichischen Autor Peter Handke ein, dessen Haltung und Texte zu Serbien und dem Jugoslawienkrieg derzeit für heftige Debatten sorgen.

Der ständige Sekretär der Akademie, Mats Malm, und das Mitglied Eric M. Runesson schreiben in ihrem Text, dass die Akademie freilich nicht beabsicht habe, eine Leugner von Kriegsverbrechen oder Völkermord belohnen, zitiert die schwedische Nachrichtendienst „SVT Nyheter“ aus dem Schreiben. Der Autor habe das Massaker von Srebrenica in seinem Buch „Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien“ nicht infrage gestellt oder verleugnet. Aber Handke benutze die Begriffe Völkermord und Konzentrationslager nicht. Sie sähen „keine Beweise dafür, dass Handke dem Blutvergießen Tribut zollte“, er habe das Srebrenica-Massaker klar verurteilt.

„Definitiv unangemessene Aussagen in politischen Angelegenheiten"

Malm und Runesson betonen, dass Peter Handke „definitiv provokative, unangemessene und unklare Aussagen in politischen Angelegenheiten gemacht hat". Sie schreiben aber, die Akademie habe „nichts in seinem schriftstellerischen Werk gefunden, das eine Attacke auf die Zivilgesellschaft darstellt oder den Respekt für die Gleichheit aller Menschen infrage stellt".

Die Akademie zitierte eine Stellungnahme Handkes aus dem Jahr 2006 in der "Süddeutschen Zeitung", in der er schrieb, Srebrenica sei „das schlimmste Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das in Europa nach dem Krieg begangen wurde".

„Sprachliche Genialität"

Die Begründung der Akademie für die Zuerkennung an Handke vergangene Woche lautete, er werde ausgezeichnet „für ein einflussreiches Werk, das mit sprachlicher Genialität die Peripherie und die Spezifizität der menschlichen Erfahrung untersucht".

Handke will nicht mehr mit Medien reden

Handke selbst ist derzeit in Kärnten zu Gast. Mit einem „spontanen Empfang" wurde er am Dienstagabend von seiner Heimatgemeinde Griffen und Landeshauptmann und Kulturreferent Peter Kaiser (SPÖ) gewürdigt. Eine Journalistenfrage beendete dann jedoch die Harmonie: Handke brach das Gespräch ab, einen für Mittwoch, geplanten Medienauftritt ließ er ausfallen.

Eskaliert dürfte die Situation sein, als bei dem Treffen entgegen der Planung auch einige Journalisten erschienen waren. Zunächst beantwortete der Autor noch Fragen. Ein Schwenk zu der Handke-kritischen Buchpreis-Rede von Saša Stanišić brachte den Nobelpreisträger dann aber auf die Palme.

"Ich steh vor meinem Gartentor und da sind 50 Journalisten - und alle fragen nur wie Sie und von keinem Menschen, der zu mir kommt, höre ich, dass er sagt, dass er irgendetwas von mir gelesen hat, dass er weiß, was ich geschrieben hab, es sind nur die Fragen: Wie reagiert die Welt, Reaktion auf Reaktion. Ich bin ein Schriftsteller, komme von Tolstoi, ich komme von Homer, ich komme von Cervantes, lasst mich in Frieden und stellt mir nicht solche Fragen", so Handke laut dem im Ö1-"Morgenjournal" gesendeten Mitschnitt.

Anschließend fügte er laut dem "Journal" noch an, nie wieder Journalistenfragen beantworten zu wollen. Diese interessierten sich trotz Nobelpreis ohnehin nicht für seine Literatur.

>> Link zu Handkes Text in der „Süddeutschen Zeitung"

>> Link zu „Dagens Nyheter"

>> Link zu „SVT Nyheter"

(APA/Red.)

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