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N26 kehrt zu seinen Wurzeln zurück

Die Online-Bank N26 wächst täglich um 10.000 Kunden
Die Online-Bank N26 wächst täglich um 10.000 Kundenimago images / photothek
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Neben Berlin und Barcelona ist die Online-Bank N26 nun auch mit einem Büro in Wien vertreten. Unter anderem ist die Lebensqualität der Stadt dafür ausschlaggebend gewesen.

Wien. Es ist wahrscheinlicher, sich von seiner Frau zu trennen als von seiner Bank, sagt Valentin Stalf. Und trotzdem wächst seine Online-Bank N26 täglich um 10.000 Kunden, also um die Größe einer städtischen deutschen Filiale. Denn je starrer der Markt, desto einfacher sei es, ihn zu bearbeiten. Mitgründer Maximilian Tayenthal erklärt dieses Paradoxon so: „In Frankreich sind 85 Prozent der Kunden bei den fünf größten Banken des Landes.“ Die Kunden hätten genau deshalb keinen guten Zugang zu digitalen Bankprodukten, unterstellen die N26-Frontmänner. Und zahlen für Dienstleistungen womöglich auch noch zu viel.

Die beiden Wiener gründeten ihr Fintech im Jahr 2013. Heute ist es wohl das am meisten gefürchtete in der Bankenbranche. Ihre erste Finanzierungsrunde wickelten Stalf und Tayenthal damals noch in Wien ab, doch bald war klar, dass für die weitere Expansion der Weg ins Ausland unumgänglich ist. „Wo sind die meisten Entwickler, Designer und Produktmanager?“ lautete eine der zentralen Fragen. Die besten Bedingungen bot zweifelsfrei Berlin, sagt Tayenthal. „Es hatte eine extreme Attraktivität als Start-up Standort.“

N26-Gründer Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal
N26-Gründer Valentin Stalf und Maximilian TayenthalAPA/HANS KLAUS TECHT

Nun, viele Jahre später, eröffnet N26 sein erstes Büro in Wien. Es soll unter anderem für die Entwicklung von Bankkonten für Unternehmer zuständig sein. Neben Berlin und Barcelona ist es der dritte Firmenstandort innerhalb Europas. Die Lebensqualität der Stadt sei ein wichtiger Punkt bei der Auswahl gewesen. Aber auch die Lebenshaltungskosten sowie die Qualität der Uni-Absolventen.

Die richtigen Leute zu finden, sei aber trotzdem eine Herausforderung. Tatsächlich ziehe man Leute von überallher an, sagt Stalf. Im Berliner Büro sei man sehr international aufgestellt, in Barcelona wiederum war es möglich, viele erfahrene lokale Leute zu gewinnen. „Wenn sich jemand wirklich dafür entscheidet, mit seiner ganzen Familie umzuziehen“, sagt Stalf, ist es wichtig, in einer Stadt auch andere technologiegetriebene Unternehmen vorzufinden. Man wolle auch aus diesem Grund dazu beitragen, Wien als Tech-Standort zu stärken – und ihn wesentlich weiterentwickeln.

Ähnliche Kundenbedürfnisse

Die ersten 15 Mitarbeiter konnte man bereits rekrutieren, bis Jahresende sollen es zwischen 20 und 30 sein. 2020 will man so viele Jobs vergeben haben, wie es sie heute schon in Barcelona gibt. Dort arbeiten über 100 Beschäftigte, langfristig sollen es in Wien dreimal so viele sein.

Unterm Strich arbeiten für N26 1300 Leute. Das ist allerdings nicht das Ende der Fahnenstange. In Brasilien bereitet man den Markteintritt für das kommende Jahr vor, in den USA ist man erst vor wenigen Monaten gestartet. „Wobei der Standort dort speziell ist“, sagt Stalf. Die Amerikaner haben schließlich nicht nur Beziehungen zu einer einzigen Bank, sondern gleich zu einer Handvoll.

N26 bearbeitet bisher 26 Märkte, die Zahl der Kunden ist inzwischen auf vier Millionen gestiegen. „Wir hatten von Anfang an die Vision, basierend auf einer Plattform, Kunden in ganz Europa zu bedienen.“ Die Bedürfnisse seien schließlich überall ähnlich, so Tayenthal. Der Traum der Österreicher ist es, eine Bank für mehr als hundert Millionen Kunden zu bauen. „Für diese Vision braucht es sehr viel Geld“, sagt Tayenthal. Man habe Investoren an Bord, „die diese Idee teilen und die nicht auf einen Exit angewiesen sind.“ Im heurigen Sommer lag die Bewertung von N26 bei 3,5 Mrd. Dollar, „das versetzt uns in die Lage, große Mengen an Kapital einzusammeln“. Geld, das man braucht. Es fließt in die Expansion des Produkts, Gehälter und Marketing. Geschäftszahlen aus 2017 (neuere Daten gibt das Unternehmen nicht bekannt) weisen Millionenverluste aus. In den kommenden drei bis fünf Jahren ist ein Börsengang das Ziel.

Daneben hat man aber noch andere Vorstellungen: Firmen wie Spotify, Facebook oder Netflix hätten nicht nur „ihre“ Industrie verändert, sondern auch die Gesellschaft. „Wir haben die große Chance gesehen, das auch im Banking zu machen“, so Stalf. Der Weg dorthin verläuft aber nicht friktionsfrei. Heuer etwa hat die deutsche Finanzaufsicht BaFin etwa Nachbesserungen von der Bank verlangt, als Mängel bei den Vorkehrungen gegen Geldwäsche festgestellt wurden. Stalf sagt: „Wenn der Regulator Hinweise hat, setzen wir das sofort um. So wie auch jede andere Bank.“

AUF EINEN BLICK

N26 wurde im Jahr 2013 von den Wienern Valentin Stalf und Maximilian Tayenthal gegründet, das Start-up zog relativ bald nach Berlin um. Heute zählt man mehr als vier Millionen Kunden in 26 Märkten und beschäftigt 1300 Mitarbeiter. Die Online-Bank wird mit 3,5 Mrd. Dollar bewertet und gehört somit zu den wertvollsten nicht-börsenotierten Fintechs Europas. In Wien hat N26 nun seinen dritten Standort auf dem Kontinent eröffnet, neben Berlin und Barcelona.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2019)

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