Am Vormittag loteten sechs Vertreter der ÖVP mit den Grünen Gemeinsamkeiten und Differenzen aus. Derzeit wird mit den Neos im Winterpalais des Prinzen Eugen sondiert.
Eine Wahl, drei Rekordergebnisse. So lässt sich der Ausgang der Nationalratswahl vom 29. September knapp zusammenfassen. Sie bescherte der ÖVP unter Sebastian Kurz einen nie dagewesenen Vorsprung auf die zweitplatzierte SPÖ. Nie zuvor erzielten die Sozialdemokraten bei einer bundesweiten Wahl ein derart niedriges Ergebnis. Und nie zuvor gelang einer Partei ein derart deutliches Comeback wie den Grünen. Nun, zweieinhalb Wochen nach dem Urnengang sind zwar keine Rekorde zu vermelden, die Auswirkungen der Wahl zeigen sich aber dennoch: Im Finanzministerium wird bei ausgerolltem roten Teppich nach einer neuen Regierung gesucht.
Nachdem die FPÖ den Gang in die Opposition angekündigt hat, waren es sechs Vertreter der SPÖ, die mit sechs Gegenparts aus der Volkspartei am Donnerstag aufeinander trafen, um auszuloten, ob man gemeinsam in eine Koalition gehen könnte. Das Ergebnis: Die Sozialdemokraten wollen nicht weiter sondieren, stehen aber zu Koalitionsverhandlungen bereit.
Heute, Freitag, waren für den Vormittag Verhandlungen mit den Grünen angesetzt, seit 14 Uhr wird mit den Neos sondiert.
Die Gespräche mit Grünen und Pinken, so verlautete Sebastian Kurz bei seinem Eintreffen im Winterpalais des Prinzen Eugen, dürften mehr Zeit in Anspruch nehmen, als jene des Vortages. Der Grund: Es seien mehrere Runden zu erwarten, da weder die Grünen noch die Neos je auf Bundesebene regiert hätten. Weiters hätten sie auf dieser Ebene noch nie mit der ÖVP zusammengearbeitet. Und die Grünen seien zudem erst wieder in den Nationalrat eingezogen. Kurzum: „Es wird länger dauern.“
Suche nach der „besten Variante für Österreich“
Konkret solle daher in einem ersten Schritt geklärt werden, ob überhaupt ein Interesse an einer Regierungszusammenarbeit besteht, meinte Kurz. Auch inhaltliche Schnittmengen sollen besprochen, Atmosphärisches ausgelotet werden. Nach Abschluss der Sondierungen werde man die Parteienvertreter und dann die Öffentlichkeit informieren, mit wem man in Regierungsverhandlungen einsteigen wolle, sagte der ÖVP-Chef. Über eine favorisierte Variante - als diese wird gemeinhin Türkis-Grün angenommen, nicht nur deshalb, weil Türkis-Pink keine Mehrheit hätte - hüllte sich Kurz indes in Schweigen. Nur so viel: Er wolle die beste Variante für Österreich.
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Bundessprecher Werner Kogler sprach bei seinem Eintreffen um zwei Minuten nach zehn Uhr Ähnliches - nämlich von Annäherung und Vertrauensaufbau als Zweck der Sondierungen. Man schaue, wie es gehen könne. „Wie es gehen wird“, stehe dann bei allfälligen Regierungsverhandlungen im Mittelpunkt, so Kogler, der dann zumindest ein Detail preisgab: Die Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens, die Bekämpfung der Kinderarmut und einen „politischen Kulturwechsel" zu mehr Transparenz und Korruptionsfreiheit seien für die Grünen zentrale Inhalte. Das sei auch im Wahlkampf so gewesen, „dafür sind wir da".
Etwas mehr als drei Stunden später klangt Kogler dann so: Er sei für die weitere Vorgangsweise sehr zuversichtlich, man werde in „vertiefenden Sondierungen" weiterreden, kündigte er an. Wie es nun konkret weitergeht und wann die Entscheidung über die Aufnahme von Regierungsverhandlungen fällt, wollte er indes nicht preisgeben.
Seitens der ÖVP gab es vorerst keine Stellungnahme - eine solche ist erst für den späteren Nachmittag vorgesehen, wenn auch die, seit 14 Uhr laufenden Gespräche mit den Neos („Wir wissen, was mathematisch, arithmetisch möglich ist. Was wir noch nicht wissen, ist, was inhaltlich möglich ist“, so Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger vorab), abgehalten wurden.
(APA/hell)