Kriegsschuldenforderung

Weltkriegs-Reparationen: Berlin lässt Athen abblitzen

Bundesarchiv
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Griechenland forderte Verhandlungen über weitere Entschädigungen wegen Kriegsschäden. Es geht um 289 Milliarden Euro. Allerdings hatte es schon früher Verträge über die Schuldentilgung gegeben.

Deutschland hat keine Lust, 74 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs mit Griechenland über neu entflammtes Interesse an Reparationen für die während der Besatzung verursachten Schäden zu verhandeln. Das Auswärtige Amt in Berlin überreichte dem griechischen Botschafter, Theodoros Daskarolis, am Freitag eine diplomatische Note, mit der eine Aufforderung der griechischen Regierung formell zurückgewiesen wird.

"Die Rechtsauffassung der Bundesregierung in dieser Frage ist unverändert: die Reparationsfrage ist abschließend geregelt. Daran hat sich nichts geändert", sagte ein Ministeriumssprecher der Deutschen Presse-Agentur.

Griechenland hatte Deutschland Anfang Juni mit einer Verbalnote zu Verhandlungen über Reparationen aufgefordert. Die Regierung in Athen - damals unter dem linken Regierungschef Alexis Tsipras - war dazu vom Parlament aufgefordert worden. Eine griechische Parlamentskommission schätzte die Summe für die von Deutschland verursachten Schäden im Zweiten Weltkrieg auf 289 Milliarden Euro, inklusive einer Zwangsanleihe, die Griechenland der Reichsbank damals gewähren musste.

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Der neue, konservative Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis hat sich die Forderung nach Verhandlungen zu eigen gemacht. "Wir hoffen, dass es eine positive Reaktion geben wird", hatte er Ende August bei seinem Antrittsbesuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin gesagt. Jetzt hat er eine Abfuhr bekommen.

Ex-Besatzer Italien und Bulgarien nicht belangt

Gegenüber Italien und Bulgarien hat es offenbar keine Entschädigungsforderungen gegeben. Die hatten allerdings 1941 bis zumindest Mitte 1943 den Großteil Griechenlands besetzt gehalten, siehe die folgende Karte. In den Jahren nach dem Krieg hatten sie sich ebenso wie Deutschland zu Reparationsleistungen verpflichtet bzw. verpflichten müssen. Diese wurden unter anderem durch die kostenlose Lieferung von Sachgütern sowie Gebietsabtretungen getilgt.

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Im Pariser Reparationsabkommen von 1946 legten die Alliierten die deutschen Reparationen sowie deren Aufteilung fest. Damit wurden eigentlich auch alle anderen bzw. später erhobenen Forderungen als erledigt behandelt. Griechenland hat den Vertrag im Jänner 1946 unterzeichnet, aber erst 1955 ratifiziert.

Griechenland konnte auch deutschen Auslandsbesitz im Land zur Schuldeneintreibung beschlagnahmen, in Deutschland wurden Fabriken demontiert, Maschinen und Fahrzeuge beschlagnahmt und in Gläubigerländer wie Griechenland gebracht.

Gemeinfrei

1960 gab es zudem einen Vertrag zwischen Westdeutschland und Griechenland über weitere Entschädigungen für griechische Bürger, die direkt von NS-ideologisch motivierten deutschen Verfolgungsmaßnahmen betroffen waren. Dafür zahlte Bonn damals 115 Millionen D-Mark aus. Über die Verteilung des Geldes gab es allerdings Kritik, denn es sei sozusagen „im Dunkel" erfolgt.

Überlegungen spätestens seit großer Finanzkrise

Schon 2013, in den extremen Jahren der Finanz- und Staatsschuldenkrise in Griechenland, prüfte Athen, ob man nicht noch Reparationsforderungen aus der Zeit des Ersten und Zweiten Weltkriegs an Deutschland stellen könne. Man hat diese Forderung aber damals dann doch nicht erhoben.

Deutsche Fallschirmjäger auf Kreta, 1941.
Deutsche Fallschirmjäger auf Kreta, 1941.Bundesarchiv

Deutschland hat weitergehende Forderungen aus Griechenland stets mit Hinweis auf die KSZE-Charta von Paris sowie den Zwei-plus-Vier-Vertrag (beides 1990) über die Folgen der deutschen Einheit zurückgewiesen. In dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der DDR und den ehemaligen Besatzungsmächten USA, UdSSR, Frankreich und Großbritannien sind Reparationen zwar nicht ausdrücklich erwähnt, außerdem waren viele von Deutschland angegriffene und besetzte Staaten wie Griechenland, Polen, Dänemark, Belgien an den Verhandlungen nicht beteiligt. Allerdings ging es damals vom Ton her um die Schaffung eines neuen Europas, einen Bruch mit der Vergangenheit und quasi um eine Erledigung aller historischen Probleme.

aus: Bulgarien - Land, Volk, Geschichte, Kultur, Wirtschaft", Kurt Haucke, GAUVERLAG BAYREUTH, 1943

2010 hieß es seitens der Bundesregierung in einer Antwort auf eine Anfrage der Linken im Bundestag, dass Deutschland seit Ende des Zweiten Weltkriegs ein Vielfaches jener Reparationsleistungen von 20 Milliarden Dollar erbracht habe, die noch während der Konferenz von Jalta 1945 genannt worden waren. Und es sei Sache der begünstigten Länder sowie von alliierten Kontrollkommissionen gewesen, die Zuteilung der Leistungen durchzuführen und zu überwachen.

Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags hatte die deutsche Haltung zu den Reparationsforderungen allerdings neuerdings in Frage gestellt. "Die Position der Bundesregierung ist völkerrechtlich vertretbar, aber keineswegs zwingend", heißt es in einem Gutachten vom Juli. Griechenland habe - anders als Polen - nie auf weitere Reparationen verzichtet und seine Ansprüche immer wieder geltend gemacht.

(DPA/wg)

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