Niederlande/Österreich

Isolierte Familie: Zwei Verhaftungen, ungeklärte Identitäten, Verdacht auf Geldwäsche

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58-jähriger Österreicher seit Donnerstag in U-Haft, 67-jähriger Vater der Familie festgenommen. Verdacht der Freiheitsberaubung, der Misshandlung und Geldwäsche. Sektenhintergrund weiter unklar.

Im Fall der seit vielen Jahren isoliert auf einem Bauernhof in der Ortschaft Ruinerwold in den Niederlanden lebenden Familie hat die Staatsanwaltschaft am Freitag mitgeteilt, dass sie nun allein für Kommunikation zuständig ist. Am Donnerstag wurde zuvor über einen gebürtigen, in den Niederlanden lebenden Oberösterreicher die U-Haft verhängt und auch der 67-jährige Vater der Familie, Gerrit-Jan van D., festgenommen. Es besteht jeweils der Verdacht der Freiheitsberaubung, der Misshandlung und Geldwäsche.

Letzteres Delikt wird den Verdächtigen zur Last gelegt, weil die Ermittler eine große Summe Bargeld in ungenannter Höhe auf dem Gelände sichergestellt hatten. Bei den sechs jungen Erwachsenen, die möglicherweise neun Jahre gegen ihren Willen auf dem Bauerhof in der ostniederländischen Provinz Drenthe festgehalten worden sind, handelt es sich um vier Frauen und zwei Männer im Alter von 18 bis 25 Jahren. Das berichtete die Vize-Polizeichefin von Drenthe, Janny Knol, im niederländischen Fernsehen. Sie hätten angegeben, dass der 67-Jährige ihr Vater sei. Sowohl das Alter wie auch die Vaterschaft sind aber noch Gegenstand der Ermittlungen. Es gebe keinen Eintrag im Geburtenregister, der die Altersangaben bestätigen würde.

Ab und zu doch im Freien - und im Internet

Ein Sonderteam mit insgesamt 30 Beamten ist mit den Ermittlungen betraut worden, die forensische Untersuchung des Bauernhofs wurde am Freitag fortgesetzt. Auf dem Hof sollen zumindest die Kinder bzw. Jugendlichen in einem abschließbaren isolierten Raum mit mehreren Kammern gehaust haben, berichtete Knol. Im Garten seien sie allerdings doch ab und zu gewesen, das Gelände hätten sie aber seit besagten neun Jahren nie verlassen, sie sind nirgendwo gemeldet, gingen nicht zur Schule oder zu Ärzten und unterhielten keine realen persönlichen Kontakte außerhalb des Hofs. Allerdings soll mindestens eine der isolierten Personen im Internet auf sozialen Medien aktiv gewesen sein.

Der bizarre Fall war aufgeflogen, nachdem am Montag der älteste Sohn der Familie (25) in einer Bar in Ruinerwold aufgetaucht war, viele Biere getrunken und dann erzählt hatte, dass er jetzt zum ersten Mal seit vielen Jahren außerhalb des Hauses sei. Die Polizei fuhr am nächsten Tag zum Hof und fand die Familie in dem versperrten Raum.

APA/ANP/WILBERT BIJZITTER

Am Donnerstagabend wurde in mehreren Medien ein Schreiben publiziert, das von "Brüdern, Schwestern und einem Sohn" des 67-Jährigen stammen soll. Das Schreiben, das unter anderem auf der Webseite des "Dagblad van het Noorden" veröffentlicht worden ist, enthält die Bitte, die Privatsphäre zu respektieren. Man habe den Fall mit Bestürzung zur Kenntnis genommen und sei vor Tagen von einem Familienmitglied über die Identität der in Ruinerwold Gefundenen informiert worden. Der 67-jährige Vater, der seit einem Schlaganfall behindert ist, soll demnach bereits in den 1980ern die Verbindungen zu seinen Verwandten abgebrochen haben. Vor acht Jahren sollen sich dann drei seiner Kinder von ihm abgesetzt haben.

Unklare Rolle des Österreichers

Was den verdächtigen Österreicher Josef B. betrifft, so hält das österreichische Bundeskriminalamt (BK) Kontakt mit den niederländischen Behörden. Aus datenschutzrechtlichen Gründen werde es aber keine weiteren Informationen über das Vorleben des 58-jährigen Verdächtigen geben, sagte BK-Sprecher Vincent Kriegs-Au am Freitag.

Am Donnerstag hieß es vom Landeskriminalamt Oberösterreich, dass der Mann in der Ortschaft Waldhausen im Bezirk Perg (OÖ) geboren wurde. Er habe ein Bauernhaus in Pabneukirchen geerbt und 1983 verkauft, dann soll er nach Wien übersiedelt sein. Später ist der Mann, der als Tischler arbeitete, wieder nach Oberösterreich zurückgezogen und lebte offiziell bis 2010 rund zehn Jahre wieder in einer Gemeinde im Bezirk Perg, dann folgte die Auswanderung in die Niederlande. Mit der isolierten Familie soll er dort womöglich beruflich in Kontakt gekommen sein, weil sowohl er als auch der Familienvater in Holland im Geschäft mit Holzprodukten tätig waren.

Moon-Sekte dementiert

Zu möglichen religiösen Hintergründen - die Rede ist von Mitgliedschaft der Familie und eventuell des Oberösterreichers in der Moon-Sekte (auch: Vereinigungskirche) - schrieben Vertreter dieser in Südkorea gegründeten Sekte am Mittwoch, dass der Vater der Kinder in den 1980ern kurz Mitglied gewesen sei, aber an psychischen Problemen litt und 1987 ausgetreten sei. Sein Bruder sei weiter Mitglied der Vereinigungskirche, habe aber seit Jahrzehnten nichts von seinem Bruder gehört.

Der 58-jährige Österreicher indes sei weder mit der Vereinigungskirche verbunden noch deren Mitglied. Ob "ein bestimmter Glaube" hinter dem Fall steckt, ist weiterhin Gegenstand der Ermittlungen. Der Mann steht im Verdacht, die isolierte Familie sozusagen betreut, vielleicht aber auch aktiv eingesperrt zu haben. Jedenfalls bezahlte er seit vielen Jahren die Pacht für deren abgelegenen Bauernhof.

(APA/DPA/red.)

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