Projektentwicklung

Viel Aufwand für ein besseres Ergebnis

Immer öfter werden große Vorhaben von mehreren Bauträgern und Architekturbüros realisiert.

Bei der Biotop-City am Wienerberg tun sie's, bei der Oase 22 in der Donaustadt, beim Karrée Breitensee und bei Dutzenden anderen größeren Wohnbauprojekten in Wien ebenfalls: Mehrere Wohnbauträger und Architekten teilen sich ein großes Projekt.

Das aktuellste Beispiel: The Marks im dritten Wiener Gemeindebezirk. Drei Wohntürme mit insgesamt rund 1200 Wohneinheiten werden hier von vier Bauträgern und drei Architekten geplant und errichtet. Darin inkludiert sind ein Wohnheim für Studierende, Wohngemeinschaften sowie Serviced Apartments für Kurzzeitwohnen, die für eine entsprechende Durchmischung sorgen sollen. Bei den einzelnen Wohntürmen wird von den beteiligten Teams weitgehend eigenständig vorgegangen. Es gibt aber zahlreiche verbindende Elemente, die über die Grundstücksgrenzen hinweg reichen. Dazu gehören neben Verkehrswegen und Grünflächen vor allem die Tiefgarage und die darauf aufbauende Sockelzone mit Geschäften, Fahrradabstellplätzen und verschiedensten Einrichtungen für die Bewohner vom Fitnesszentrum bis zur Co-Working-Zone. Gemeinsam genutzt für alle drei Objekte werden auch Infrastruktureinrichtungen wie eine zentrale Brandmeldeanlage.

Abstimmung bei Details

Daraus resultiert eine komplexe technische und rechtliche Verbundenheit in vielen Bereichen, die aufwendige Koordinationsarbeiten erfordert. „Für die notwendigen Abstimmungen gibt es Gespräche auf verschiedenen Ebenen“, erzählt Michael Herbek, bei der Buwog für die Projektentwicklung verantwortlich. Architekten und Haustechniker treffen sich ebenso regelmäßig wie Mitarbeiter der Bauträger oder die Geschäftsführung. Auf der ausführenden Ebene sind wöchentliche Besprechungen üblich.

Für "The Marks" im dritten Wiener Gemeindebezirk entstehen drei Wohntürme mit insgesamt rund 1200 Wohneinheiten. Geplant und errichtet haben das Projekt vier Bauträger und drei Architekten.
Für "The Marks" im dritten Wiener Gemeindebezirk entstehen drei Wohntürme mit insgesamt rund 1200 Wohneinheiten. Geplant und errichtet haben das Projekt vier Bauträger und drei Architekten.WBV-GPA

Dabei gibt es unzählige Details zu klären. Hauptthema beim Projekt The Marks ist der gemeinsame Garagen- und Sockelbau. Hier geht es um technische Fragen von der exakten Position der Anschlussstellen am jeweiligen Grundstücksende bis zur Abstimmung von Terminplänen. Vereinfacht wird die Abwicklung letztlich durch die gemeinsame Vergabe dieses Bauteils an ein Bauunternehmen. Auch der Bau der Türme will zwischen den drei Teams abgestimmt sein: „Da sind allein für die Bauabläufe unzählige Details zu klären, etwa wo die Kräne stehen oder wo Zufahrtswege für die Baustelle errichtet werden“, betont Herbek.

Wirtschaftliches Risiko geringer

Zu den technischen Fragen kommen zahlreiche rechtliche Themen. Im Sockelbereich etwa überschneiden sich eine Reihe von Nutzungen. Parkplätze und Verkehrswege der Garage finden sich auf Grundstücksteilen, die eigentlich dem jeweils anderen Bauträger gehören. Die in der Sockelzone unterhalb jedes Turms situierten Gemeinschaftseinrichtungen vom Fitnesscenter über einen Co-Working-Bereich bis zu Räumlichkeiten für Feste stehen über die Bauträgergrenzen hinweg allen Bewohnern zur Verfügung. Die damit verbundenen rechtlichen Fragen lassen sich nicht durch guten Willen und Handschlag absichern. Etliche Juristen sind beschäftigt, um detaillierte Verträge über Dienstbarkeiten oder Servituten zu erstellen.

Trotz des großen zusätzlichen Aufwands sprechen sich die Beteiligten für solche gemeinsamen Bauprojekte aus. „Natürlich stimmt es, dass die Zusammenarbeit mit anderen Bauträgern Zeit kostet. Aber auf der anderen Seite ist es ein entscheidender Vorteil, das wirtschaftliche Risiko nicht allein tragen zu müssen“, sagt Michael Gehbauer, Geschäftsführer der Wohnbauvereinigung für Privatangestellte, die schon an mehreren Gemeinschaftsprojekten beteiligt war und auch bei The Marks engagiert ist. Dort gehe es immerhin um 1200 Wohnungen, von denen ein Teil frei finanziert sei, erläutert Gehbauer. „Ein solches Projekt wäre selbst für die größeren Bauträger eine beachtliche Herausforderung.“

Bereicherung durch Vielfalt

Auch Ariel Muzicant, der das Projekt ursprünglich entwickelte und mehr als zehn Jahre für eine neue Flächenwidmung kämpfte, meint, dass ein solches Einzelprojekt vom Risiko her gesehen für einen Bauträger zu groß sei. „Außerdem hat der daraus resultierende Wettbewerb dazu geführt, dass ich entschieden habe, das beste Resultat erzielen zu können, wenn drei Architekten mit drei Bauträgern im Wettbewerb stehen.“ Die Architekten stehen der gemeinsamen Arbeit durchaus positiv gegenüber. Lina Streeruwitz, die ursprünglich den Wettbewerb gewonnen hat und das Projekt jetzt gemeinsam mit den zweit- und drittplatzierten Architekturbüros Rüdiger Lainer + Partner und BEHF Architekten umsetzt, meint etwa: „Bei einem Projekt mit 1000 Wohnungen tut Vielfalt der Sache gut.“

Streeruwitz arbeitete bereits in der Frühphase von The Marks mit den anderen Büros zusammen: „Die Kooperation funktioniert sehr gut, jeder hat für sich viel Gestaltungsspielraum, und für uns ist es eine Bereicherung.“ Ähnlich sieht es Rüdiger Lainer. „Mehrere Akteure waren eine Bedingung der Stadt, und das ist sinnvoll, denn sonst endet ein so großes Projekt in Monotonie. Hier stimulieren wir uns gegenseitig, um etwas Besonderes zu machen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2019)

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