Der größte Schuft

In ihrem Roman „Die Tauben von Brünn“ erzählt Bettina Balàka von Aberglauben und Geldgier, von Mutterliebe und Klassendünkel, von darbenden Arbeitern und fast nebenbei vom Wiener Bankier und Betrüger Karl Johann von Sothen.

Die Geschichte ist so unglaubwürdig und zugleich bezeichnend für die Zeit, in der sie spielt, dass eine literarische Verarbeitung des Stoffs sich nahezu aufdrängt. Die Frage ist nur, auf welche Weise der große Aufstieg und das schmachvolle Ende dieser schillernden Figur erzählt wird.

Johann Karl von Sothen wurde als Sohn eines Schneiders und späteren Tabaktrafikanten geboren, übernahm das Geschäft des Vaters, wurde mit Lotterie sowie Münzhandel reich und gehört in den postrevolutionären Jahren ab 1850 schließlich zu den einflussreichsten Bankiers in Österreich. Er galt allerdings auch als gewissenloser Gauner. Das Fundament seines Vermögens, so wurde vermutet, habe der Mann, der sich in der Öffentlichkeit gern als Wohltäter präsentierte, mit Lottomanipulationen gemacht, und seine Angestellten behandelte er offenbar so schlecht, dass einer, der gerade entlassen worden war, den verhassten Ausbeuter schließlich erschoss. Mehr als 20.000 Menschen sollen seinem Leichenwagen gefolgt sein, nicht um zu trauern, sondern um Spottlieder auf ihn zu singen, und nach der Beisetzung in einer pompösen Kapelle wurde auf die Mauer gekritzelt: „Hier, in dieser schönen Gruft, liegt der allergrößte Schuft.“


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