Hoch und Heilig

Osttirol: Wo der Pilger dem Himmel näherkommt

Blick über das Villgratental
Blick über das Villgratental Imago
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Wem der Jakobsweg zu lang und zu flach ist, der kann auf dem neuen alpinen Pilgerweg „Hoch und Heilig“ in Tirol im ursprünglichsten und archaischsten von allen seine Erfüllung finden.

Das Villgratental in Osttirol ist eine vitale und archaische Gegend. Das liegt nicht nur an den hohen Gipfeln über den steilen Wiesenhängen, an den alten Bauernhöfen, die wie Denkmäler in der Landschaft stehen und an der Gelassenheit, die das Tal ausstrahlt, das damit schon Werbung gemacht hat, dass es hier nichts geben würde. Das ist natürlich eine Untertreibung. In Zeiten, in denen man sich beim Waldbaden und Bäumeumarmen erholt und vom Bauer, dessen Schweinderl das Schnitzel gespendet hat, die Adresse und Telefonnummer weiß, erleben solche Refugien eine Renaissance.

Dagegen wirkt unser Vorhaben auf den ersten Blick altmodisch, auf den zweiten Blick aber ziemlich zeitgemäß puristisch. Wir pilgern durch die Berge, oder sagen wir besser über die Berge. Hoch und heilig heißt es für uns. Das klingt nach einem Motto, ist aber der Titel des neuen Pilgerwegs, der alpin eine Runde durch Osttirol macht mit einem Schlenker nach Kärnten und Südtirol, deshalb auch als Interreg-Projekt förderungswürdig wurde.

Dekan Bernhard Kranebitter ist unser Wegbegleiter, der Initiator und Ideengeber des Pilgerwegs, der die Berge seiner Osttiroler Heimat und die zahlreichen Wallfahrtskirchen, an denen wir vorbeikommen werden, gut kennt. Die erste steht ganz hinten im Tal in Maria Kalkstein, wohin uns frühmorgens das Taxi bringt, vorbei an Villgratener Legenden wie dem Grüß Gott-Bauer, der seinen Balkon extra mit dem Gruß versah im Protest gegen die Naziherrschaft und den damals üblichen Hitlergruß, bis zum Grab der Wildererlegende Pius Walder, dem auch heute wohl berühmtesten Villgratener.

200 Kilometer, 13.000 Höhenmeter

Der „Hoch und Heilig“-Weg hat neun Etappen, ist 200 Kilometer lang mit gut 13.000 Höhenmetern, die einen bis auf 2650 Meter raufschicken. Die Begegnung mit der Natur, die Einsamkeit und der Blick von oben haben eine kontemplative Wirkung, versichert uns Bernhard Kranebitter. Zuerst aber gehen wir uns von der Kirche Maria Schnee auf dem flachen Weg talauswärts warm.

Ein schmaler, aber gut gehbarer Steig am Waldrand bringt uns zur Wegelate-Säge und zum versteckten Naturdenkmal Sinkersee. Danach geht es im Zickzack ein Stück bergab auf den Talboden zur Unterstaller Alm. Der kontemplative Charakter der Wanderung ist natürlich immer gut als Vorwand für eine Rast in der Jausenstation, wo uns hausgemachte Kuchen schwach werden lassen und wir ehrfürchtig raufschauen zum 2510 Meter hohen Villgrater Törl, das uns von unserem Tagesziel im Defereggental trennt. Etwas weiter oben beginnt ein schmaler, hundsgemein steiler Steig. Wir quälen uns auf dem kurvenreichen Anstieg hinauf, vorbei an malerischen Heustadeln bis zu den Stoanernen Mandln direkt beim Übergang, wo wir über die Täler schauen, unsere Wasserflaschen leeren und erste lehrreiche Erkenntnisse bekommen: Es hat schon seinen Sinn, wenn man kalorienreichen Verführungen zur rechten Zeit auch widersagen kann.

Beim langen Weg bergab nach Defereggen bis zur Hinteren-Staller-Alm und weiter zur Staller Alm bleibt viel Zeit für Gedanken. Kurz vor dem Talboden vor St. Jakob weist uns ein schäumender Wasserfall den Weg zur verborgenen und zierlichen Wallfahrtskapelle Maria Hilf. Die kleinen Pausen in den kühlen Räumlichkeiten der Gotteshäuser lassen eine Art pragmatisierter Frömmigkeit aufkommen. Eine gute halbe Stunde am Südufer der Schwarzach trennt uns noch vom Gasthof Edelweiß, der uns für ein Pilgerquartier recht komfortabel erscheint, was wir mit einer Dusche und einem frühen und ausgiebigen Abendessen der Osttiroler Art honorieren.

Die letzten Etappen

Am nächsten Morgen ist der Himmel bedeckt, sind die Temperaturen spürbar gesunken. Das Programm des zweiten Tags ist dem ersten nicht unähnlich. Ein längerer Aufstieg mit gut 1500 Höhenmetern über den Tögischer Berg, wo schnell die Baumgrenze erreicht ist. Über offene Almwiesen führt der Aufstieg vorbei am Gritzer Hörndl zu den Gritzer Bergseen und hinauf zum Virgener Törl auf über 2600 Meter Höhe. Nichts wird es mit der Einkehr der an diesem Tag geschlossenen Lasörlinghütte. Aber so kann es Pilgern ergehen. Unten in Virgen führt uns der Kranebitter Bernhard noch in die Wallfahrtskirche Maria Schnee mit herrlichen Fresken. Danach steigt der Weg ein letztes Mal bergauf zum Gasthof Waldruhe, der seinem Namen alle Ehre macht und uns mit einfachen Zimmern und üppig portionierten Schnitzeln in eine tief schlafende Pilgernacht schickt.

Die dritte und letzte Etappe unserer Pilgertour verschont die geschundenen Füße von hochalpinen Exkursionen, bleibt uns ein fast ebenerdiger Spaziergang talauswärts von Virgen durch das beschauliche Tal Richtung Matrei und Isental. Der Weg wechselt bald auf die rechte Talseite mit einem Schlenker hinauf zur romanischen Nikolauskirche mit eindrucksvollen Fresken aus dem 11. Jahrhundert. Eigentlich nimmt diese Etappe noch den Weg über das Kals-Matreier Törl auf über 2000 Metern hinauf nach Kals. Aber da wir ja Pilgernovizen sind, steht uns ein sanfter Einstieg in die Welt des spirituellen Wanderns durchaus zu. Außerdem gibt es in Matrei eine recht verlockende Gastronomie. Wir sollen ja schließlich wieder in unser normales Leben zurückfinden.

9 Etappen, 200 Kilometer, 13.000 Höhenmeter, Start und Ziel beliebig. www.hochundheilig.eu

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2019)

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