Reportage

Taiwan: Kostümiert gegen scharfe Macht

Die Solidarität zwischen Hongkongs Demokratieaktivisten und Taiwan ist gegenseitig. Eine junge Frau in Hongkong hält die Flagge Taiwans hoch.
Die Solidarität zwischen Hongkongs Demokratieaktivisten und Taiwan ist gegenseitig. Eine junge Frau in Hongkong hält die Flagge Taiwans hoch. (c) APA/AFP/PHILIP FONG (PHILIP FONG)
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Der Nationalfeiertag in Taiwan stand im Zeichen von Weltoffenheit und Vielfalt und kontrastierte so fundamental mit der militärischen Kraftmeierei der Volksrepublik China.

Das freundliche Herbstwetter passt bestens zum bunten Treiben im Zentrum Taipehs, der Hauptstadt von Taiwan. Lachende Menschen in ausgefallenen Kostümen tanzen, fantasievoll geschmückte Fahrzeuge rollen durch die Straßen und dann vorbei an der Ehrentribüne vor dem Präsidentenpalast. Popmusik dröhnt aus den Lautsprechern.

Hoch über den Feiernden ziehen zwei Militärhubschrauber die taiwanesische Fahne durch die Luft, Militärjets malen deren Farben, Rot, Blau und Weiß, in den Himmel. Das fröhliche Geschehen jüngst am 10. Oktober in der Inselhauptstadt erinnert an einen Karnevalsumzug im deutschen Rheinland oder an Mardi Gras in New Orleans, aber nicht zwingend an Festlichkeiten zum Nationalfeiertag.

Und was für ein gewaltiger Kontrast zu den Feiern anlässlich des 70. Jahrestages der Gründung der Volksrepublik China in Peking: Zehn Tage vor den Taiwanesen feierten die chinesischen Kommunisten dort ihren Nationalfeiertag mit einer militärischen Machoshow der Sonderklasse, der größten Militärparade in der Geschichte des Landes – mit Raketen, Panzern, Kampfflugzeugen, martialischer Blasmusik und Abertausenden Soldaten im Stechschritt.

„Zu Puder gemahlene Knochen.“ Gut, auch in Taipeh fuhr eine Motorradeskorte der Militärpolizei in Formation, warfen Ehrengardisten Gewehre in die Luft und knallte es laut, als eine Spezialeinheit der Marine eine Geiselbefreiung vorführte. Aber militaristisch war an dem mehr als einstündigen Umzug gar nichts, die Feier stand ganz im Zeichen von Weltoffenheit und Vielfalt. „Taiwan“, verkündete Präsidentin Tsai Ing-wen bei ihrer Rede zum Nationalfeiertag, „ist die erste Verteidigungslinie für demokratische Werte.“

Verteidigung gegen wen? Gegen eine immer selbstbewusstere und aggressivere Volksrepublik China, die „mit einer Kombination aus Autoritarismus, Nationalismus und wirtschaftlicher Macht die Freiheit, Demokratie und globale Ordnung herausfordert“ und Taiwan das Existenzrecht verweigert.Tsai Ing-wen sprach auch von der „scharfen Macht“, mit der Chinas Kommunisten Taiwan gefügig machen wollten. Vier Tage später bestätigte der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping bei einem Aufenthalt in Nepal mit brachialen Worten ihre Einschätzung: „Jeder, der versucht, eine Region von China loszulösen, wird untergehen – mit zertrümmertem Körper und zu Puder gemahlenen Knochen.“

Rotes Tuch. Taiwans Präsidentin ist für Pekings Chefkommunisten ein rotes Tuch. Seit sie im Mai 2016 ihr Amt angetreten hat, weigert sie sich, den sogenannten „Konsens von 1992“ anzuerkennen, demzufolge beide Seiten zu einem China gehören. Die Demokratische Fortschrittspartei (DPP), der Tsai angehört, argumentiert, dass Taiwan nie ein Teil der Volksrepublik China gewesen ist, sie hat deshalb die Unabhängigkeit der Insel im Auge. Auf eine Unabhängigkeitserklärung aber würde die KP-Führung wohl mit einem Angriffskrieg antworten.

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