Parlamentswahl

Die Separatisten von Québec, die echten Wahlsieger Kanadas

 Yves-Francois Blanchet hat den Bloc Québécois zu einer neuen Größe im kanadischen Unterhaus geführt.
Yves-Francois Blanchet hat den Bloc Québécois zu einer neuen Größe im kanadischen Unterhaus geführt.REUTERS
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Die Grünen können bei den kanadischen Parlamentswahl zwar ebenfalls zulegen, doch es ist der Bloc Québécois, der dank Kurswechsel im französischen Teil des Landes für viele zu einer wählbaren Alternative geworden ist.

Der Wahlsieger im herkömmlichen Sinne ist Andrew Scheer. Seine kanadischen Konservativen erhielten die meisten Stimmen. Das Mehrheitswahlrecht macht aber Justin Trudeau und die Liberalen zum Gewinner, was Mandate betrifft. Der bisherige Premierminister wird also mit hoher Wahrscheinlichkeit im Amt bleiben. Doch der große, lachende Wahlsieger des Abends, das ist der Bloc Québécois, eine Regionalpartei aus der gleichnamigen französischen Provinz (32 Mandate laut Prognosen, bisher 10).

Das viele Menschen für die Kandidaten des Blocks gestimmt haben, dürfte auch mit einem Kurswechsel der letzten Jahre zu tun haben. Und mit der Schwäche der großen Parteien, denn die Liberalen hofften in Québec eigentlich auf Zugewinne, das Gegenteil war der Fall, die absolute Mehrheit ist damit weg. Die Konservativen waren auch nicht die erste Wahl der mehrheitlich französischsprachigen Bevölkerung. Viele wählten die zuletzt gemäßigter auftretende Regionalpartei.

Weg vom Radikalen-Image

Einer der Erfolgsfaktoren der Québec-Partei ist ihr neuer Parteichef. Yves-François Blanchet verdreifachte die Mandate im kanadischen Parlament. „Wir sind so weit gekommen, aber wir werden noch weiter gehen“, jubelte er in der Wahlnacht. Er könnte nun zum Königsmacher werden und eine Minderheitsregierung seines Vertrauens unterstützen. Doch derzeit läuft es eher auf eine Regierung der Liberalen mit Unterstützung der Sozialdemokraten hinaus. Doch in manchen Sachfragen könnte die Québec-Partei ihre neue Mandats-Stärke ausspielen.

Blanchet hat die Forderung nach echter Abspaltung der Provinz Québec von Kanada massiv abgeschwächt, nachdem er die Parteiführung übernommen hatte. Noch 1995 scheiterte ein Referendum nur knapp. Doch aktuelle Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit der Bevölkerung der Provinz im Osten des riesigen Landes zufrieden damit ist, wie das Verhältnis zu Kanada derzeit geregelt ist.

Blanchet positionierte den Block als Interessensvertretung der Bewohner von Québec und der französischsprachigen Bevölkerung. Er hält zwar enge Kontakte zur nationalistischen Provinzregierung, sucht aber nicht den Bruch mit Kanada. „Die Stärke, die Blanchet bringt ist, dass er ein Bild zeichnet, dass nicht so heftig ('hardcore') ist, wie jenes seiner Vorgänger. Das erlaubt es ihm, viel mehr Wähler anzusprechen“, analysierte Pierre Martin, Professor an der University of Montréal, für die Nachrichtenagentur Reuters.

Stabilität zum Wohle Québecs

Der 54-Jährige Parteichef und frühere Minister in seiner Heimatprovinz ist eine Medienpersönlichkeit. Er sagt, er wolle zum Funktionieren des kanadischen Parlaments beitragen und Gesetze unterstützen, die gut für Québec seien. „Ich glaube nicht, dass Québécer und Kanadier eine Minderheitsregierung mit dem Ziel gewählt haben, in 18 Monaten wieder zurück zu den Wahlurnen zu schreiten“, sagte er. Er wiederholte seine Forderungen der letzten Wochen auch in der Wahlnacht: Québec könne eines Tages „alle Attribute von Souveränität“ bekommen, das werde allerdings nicht passieren, solange das föderale System funktioniere. „Unser Job ist es nicht, den kanadischen Föderalismus am Laufen zu halten. Unser Job ist es auch, keine Probleme zu verursachen."

Bei der Wahlfeier in Montréal gab es trotzdem laute Rufe: „We want a country“ ("Wir wollen ein Land"), die Blanchet routiniert kalmierte: „Das möchte ich auch, aber dieses Mal haben wird nicht das Mandat, um eine Unabhängigkeit zu erreichen."

Das Wahlverhalten in Québec war für die Politikwissenschaftler des Landes stets schwerer zu prognostizieren, als im Rest des Landes. Die Unabhängigkeitskomponente erschwert die Einschätzung der politischen Zugehörigkeit, da klassische Parteienpräferenzen aufgeweicht sind.

(Reuters/klepa)

Ergebnis der Parlamentswahl in Kanada
Ergebnis der Parlamentswahl in Kanada(c) APA

(Reuters/klepa)

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