Leitartikel

Eine zweite Chance für den Anti-Trump aus dem Norden

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Für Kanadas Premier Justin Trudeau ist der Honeymoon vorbei. Er muss jetzt unter Beweis stellen, dass er mehr ist als bloß ein Popstar der Politik.

Als Pierre Trudeau 1972 in Ottawa ein Staatsbankett für Richard Nixon ausrichtete, gab der US-Präsident einen Toast für dessen wenige Monate alten Sohn aus, den „künftigen Premierminister Kanadas“. Nixon sollte mit seiner launigen Prophezeiung recht behalten: Justin Trudeau, der Sohn des legendären Langzeit-Premiers, löste die Verheißung ein, wenngleich nicht alle Versprechen. Anfangs elektrisierte der imagebewusste Sonnyboy als Popstar der Politik im modischen Look und als selbst ernannter Feminist die Nation mit seinen progressiven Parolen, seiner Botschaft der Abbitte für das Unrecht gegenüber den Ureinwohnern und seinem umweltpolitischen Credo. Vor der populistischen Welle in der Weltpolitik traf er den Nerv der Zeit.

Auf der Weltbühne präsentierte sich Trudeau vier Jahre lang als Anti-Trump und sympathischer Wiedergänger Barack Obamas, als Inkarnation des liberalen Regierungschefs, der sein Kabinett nach paritätischen und minderheitspolitischen Prinzipien besetzte. Er gab sich als Akteur einer multilateralistischen menschenrechtsorientierten Außenpolitik, der China die Stirn bot. Und er lotste 25.000 syrische Flüchtlinge nach Kanada, die im Libanon nach spezifischen Kriterien ausgewählt worden waren. Die ersten nahm er öffentlichkeitswirksam am Flughafen in Empfang. Kurzum, er lenkte die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf sein Land, auf „Cool Canada“, das mit einem Mal als das „bessere Amerika“ dastand.

Aber Trudeau überreizte den Hype und das Spiel mit seinem Image, und im Wahlkampf fragte sein konservativer Widersacher und mit ihm das ganze Land, ob sich der Premier angesichts einer aufgebauschten Blackfacing-Affäre über lang zurückliegende Fotos hinter einer Maske verstecke, ob er zu abgehoben sei und er jenseits seiner PR-Persona auch Substanz zu bieten habe. Denn spätestens zu Beginn des Wahljahres musste der mediale Darling zu Kenntnis nehmen, dass der Honeymoon mit den Kanadiern zu Ende ging und die Realpolitik ihn zu einem „Normalo“ schrumpfen ließ.

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