Monatelange Proteste

Hongkong und Taiwan streiten um Verdächtigen

REUTERS
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Der Zwist um die Auslieferung des 20-Jährigen, der seine schwangere Freundin in Taiwan umgebracht haben soll, löste die Demonstrationen in Hongkong aus. Am Mittwoch soll er aus der Haft entlassen werden.

Taipei/Wien. Nach 18 Monaten Haft kommt am Mittwoch jener Mann frei, der indirekt für die mehr als vier Monate andauernden Proteste in Hongkong verantwortlich ist: Chan Tong-kai. Und der Streit um die Auslieferung des 20-Jährigen sorgt nun erneut für Spannungen zwischen der chinesischen Sonderverwaltungszone und Taiwan. Der gebürtige Hongkonger floh in seine Heimatstadt, nachdem er im Februar 2018 seine ebenfalls aus Hongkong stammende schwangere Freundin in Taiwan umgebracht haben soll.

Chan gestand die Tat während eines Verfahrens in Hongkong, wo er vergangenes Jahr wegen Geldwäsche zu einer mehrmonatigen Haftstrafe verurteilt worden war. Vor Kurzem erklärte er sich bereit, nach Taiwan zurückzukehren, um sich dort einem Mordprozess zu stellen. Taipei aber weigerte sich zunächst, Chan ohne ein offiziellesRechtsverfahren mit Hongkongeinreisen zu lassen. Doch am Dienstag änderte die Administration unter Präsidentin Tsai Ing-wen plötzlich ihre Meinung: Sie gab bekannt, Beamte in die Hafenmetropole zu entsenden, um Chan abzuholen. Zudem ersuchte sie die Hongkonger Behörden um Hilfe. Eine Antwort aus Hongkong war am Abend noch ausständig.

Kein Auslieferungsvertrag

Dass die Hongkonger Behörden Chan wegen des Verdachts, seine Freundin während des Urlaubs umgebracht zu haben, nicht vor Gericht stellen konnten, hatte die Diskussion um ein Auslieferungsgesetz im heurigen Frühjahr ins Rollen gebracht. Hongkong hat weder mit Taiwan noch mit Festlandchina ein Auslieferungsabkommen. Der Versuch von Regierungschefin Carrie Lam, diese Gesetzeslücke zu schließen, löste im April Massenproteste aus. Die Demonstranten fürchteten, chinesische Behörden könnten das Gesetz ausnutzen, um Dissidenten unter falschem Vorwand auf das Festland zu transferieren. Lam zog das Gesetz zwar im September zurück, doch die Proteste gegen den wachsenden Einfluss Pekings in Hongkong dauern an. (ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2019)

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