Wien-Museum

Luxusmall im Roten Wien entdeckt

AUSGRABUNGEN ALTER VERKAUFSHALLEN AM KARLSPLATZ
AUSGRABUNGEN ALTER VERKAUFSHALLEN AM KARLSPLATZAPA/HERBERT PFARRHOFER
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Die Vorarbeiten zum Umbau haben Reste eines fast vergessenen Luxuskaufhauses zutage gefördert. Im Heute streitet man indes um die Kosten des Baus.

Wien. Von Luxus ist am Karlsplatz nichts übrig. Eine Wand grober Magerbeton ragt ein Stück aus dem aufgegrabenen Boden, ein Stück Holz erinnert an eine Türschwelle, durch die man vor fast 100 Jahren zu Kojen trat, in denen Pelze, Hüte, antike Uhren oder sogar Motorräder verkauft wurden. Matti Bunzl, der Direktor des für die anstehende Sanierung geschlossenen Wien-Museums, spricht von Wiens „erster Shoppingmall“, deren Mauern von der (zum Wien-Museum gehörenden) Stadtarchäologie teils freigelegt, untersucht und dokumentiert werden.

Es sind die ersten archäologischen Funde, die im Zuge der Grabungen für den Umbau gemacht wurden – und die Archäologen sind begeistert. Schließlich müssen es nicht immer Steine aus der Römerzeit sein.

Archäologie, das heiße viel zu selten, dass man nach Resten aus dem 20. Jahrhundert gräbt, sagt Bunzl, der von diesen Funden überrascht ist. Zwar gab es Karten, sogar Bilder von dem Kaufhaus, das hier einst stand. „Aber es ist ein vergessenes Stück Geschichte. Ich wusste nichts davon, ich dachte, bis in die Fünfzigerjahre sei hier nichts gewesen. Ein Fund wie dieser kann uns viel über das Stadtleben dieser Zeit erzählen.“

AUSGRABUNGEN ALTER VERKAUFSHALLEN AM KARLSPLATZ
AUSGRABUNGEN ALTER VERKAUFSHALLEN AM KARLSPLATZAPA/HERBERT PFARRHOFER

Funde werden „kontrolliert zerstört“

Erbaut wurde das Kaufhaus 1922, auf einem Grund, der durch die Wienfluss-Regulierung lang zuvor entstanden war. Ebenfalls 1922 wurde es offiziell eröffnet, zu kaufen fand man dort Luxus aller Art der renommierten Kaufleute – jedoch nicht lang. Zunehmend zogen Werkstätten ein, ab 1927 sogar ein Stadtheuriger. Aber in der großen Depression der 1930er-Jahre sanken Umsatz und Besucherzahlen offenbar weiter, das brachte das Aus, 1934 wurden die Hallen abgerissen. „Das ist interessant, es gab offenbar auch solche Versuche, in der Zwischenkriegszeit die Wirtschaft anzukurbeln, die mit dem Roten Wien, mit dem wir uns so oft beschäftigen, nichts zu tun haben.“

Diese Mauern werden nun teils freigelegt, dokumentiert, und dann wird, auch mit Baggern, weitergegraben. Die Grabungen gehen viereinhalb bis fünf Meter in die Tiefe, hier, vor dem bisherigen Eingang, entsteht die künftige Plaza – samt Tiefenspeicher darunter. Grabungsleiter Martin Mosser spricht von einer „dokumentierten Zerstörung“ im Zuge des Baus – aber immerhin könnten diese Arbeiten in den kommenden Wochen noch neue Funde bringen. Lag an dieser Stelle, vor der Regulierung, doch einst das Bett des Wienflusses – und auch Funde aus der Römerzeit seien nicht ausgeschlossen.

AUSGRABUNGEN ALTER VERKAUFSHALLEN AM KARLSPLATZ
AUSGRABUNGEN ALTER VERKAUFSHALLEN AM KARLSPLATZAPA/HERBERT PFARRHOFER

Während Museumsdirektor Matti Bunzl am Karlsplatz die Ausgrabungen zeigt, vom Zwischenquartier der Leitung des (mittlerweile komplett ausgeräumten) Museums in Meidling erzählt, davon, dass es mit den Vorarbeiten des Umbaus „hervorragend“ vorangehe, widmete sich die Wiener ÖVP am Dienstag einer anderen Baustelle in Sachen Wien-Museum: den Finanzen. Stadtrat Markus Wölbitsch sprach zeitgleich in einer Pressekonferenz von einem „Planungsdesaster“, zitiert Medienberichte, wonach laut internen Papieren von Kostenüberschreitungen von 23 Millionen Euro auszugehen ist. „Das Wien-Museum darf nicht das nächste Krankenhaus Nord werden“, so Wölbitsch, der kritisiert, man wisse nicht, wann der Bau starte oder wer den Umbau tatsächlich mache. Im Museum weist man diese Vorwürfe umgehend zurück. Bei Sanierung und Erweiterung liege man finanziell und zeitlich im Plan. Die Kostenschätzungen würden nach wie vor im beschlossenen Rahmen von 108 Millionen Euro liegen. Die Papiere, auf die Wölbitsch sich beziehe, seien bloß Risikovorschauen, die mit tatsächlichen Plänen nichts zu tun hätten. Diese Darstellung teilt man auch im Ressort von Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler: „Solche Analysen zu erstellen ist ein ganz normaler Vorgang bei Projekten.“

Das Vergabeverfahren für den Generalunternehmer liege jedenfalls im Plan, es soll im Frühjahr 2020 abgeschlossen sein. Geplanter Baubeginn ist im Sommer 2020. Bis dahin sollen auch die Aushubarbeiten auf dem Vorplatz längst abgeschlossen sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2019)

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