Was lag 1989 in der Luft? Vor allem große Erwartungen und diffuse Vorstellungen – und diese wurden in den vorangehenden Jahrzehnten vor allem olfaktorisch genährt.
„Das ist Berlin ’89!" – mit der Nase dicht an den Kacheln des Bahnhofs Jannowitzbrücke spürt die in Berlin ansässige Geruchsforscherin Sissel Tolaas Geruchslandschaften nach. Scharfe Putzmittel, Braunkohleöfen und eine gewisse Miefigkeit werden gemeinhin mit „dem Osten" assoziiert. Aber kann man 1989 tatsächlich riechen? Wie nimmt man die Witterung eines so ikonografischen Jahres auf?
Die Ereignisse von 1989 sind vor allem medial-visuell ins kollektive Gedächtnis eingegangen: allen voran die symbolische Durchtrennung des Eisernen Vorhangs an der österreichisch-ungarischen Grenze und der Mauerfall in Berlin. Jedoch haben sich politische, soziale und kulturelle Prozesse auch stets zu sensorischen Erfahrungen verdichtet: Der 9. November 1989 waren auch feuchte Anoraks, fassungslose Jubelrufe, dichtes Gedränge, der Staub der bröckelnden Mauer, Trabi-Qualm und wohl auch der eine oder andere Tropfen Nervositätsschweiß.