Analyse

In Syrien beginnt die postamerikanische Ära

Die großen Verlierer der Umwälzungen in Syrien sind die mehr als 130.000 Zivilisten, die vor den türkischen Truppen geflohen sind.
Die großen Verlierer der Umwälzungen in Syrien sind die mehr als 130.000 Zivilisten, die vor den türkischen Truppen geflohen sind.APA/AFP/AAREF WATAD
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Kreml-Chef Putin und der türkische Präsident, Erdoğan, zementierten mit dem Sotschi-Deal ihren Einfluss in Syrien. Die USA sind aus dem Spiel. Doch Präsident Trump rühmt sich der Waffenruhe und hebt die Sanktionen gegen Ankara auf.

Istanbul. Im Syrien-Konflikt beginnt nach der russisch-türkischen Einigung von Sotschi eine neue Phase. Russland hat seinen Einfluss zementiert, die syrische Regierung wird aufgewertet, und die Türkei stellt ihre Offensive ein, kann ihre Interessen aber zum Teil durchsetzen. Die Kurdenmiliz YPG muss sich weiter zurückziehen, die USA nehmen sich selbst aus dem Spiel. Nach der Einigung von Sotschi ist die Rebellenhochburg Idlib die einzige Region in Syrien, wo noch gekämpft wird. Noch deutlicher als bisher sind Moskau und Ankara die entscheidenden Akteure – für eine europäisch kontrollierte Schutzzone, wie sie die deutsche Verteidigungsministerin, Annegret Kramp-Karrenbauer, vorgeschlagen hat, bleibt kein Raum.

„Der große Sieger heißt Russland“, bilanziert der Türkei-Experte Hüseyin Çiçek. Die Einigung, die Kremlchef Wladimir Putin mit dem türkischen Präsidenten, Recep Tayyip Erdoğan, bei einem sechsstündigen Verhandlungsmarathon im russischen Sotschi erzielte, besiegelt den Einflussverlust der USA in der Region. Moskau habe sich in jüngster Zeit selbst den US-Verbündeten am Golf als berechenbarer Partner empfohlen, sagte Çiçek, Politologe am Institut für Islamisch-Theologische Studien der Universität Wien, der „Presse“ in Istanbul.

Kurden müssen ihren Traum begraben

Zu den Opfern der Umwälzungen gehören Hunderttausende Zivilisten, die vor den türkischen Truppen ins Landesinnere von Syrien geflohen sind. Mehr als 7000 Syrer sind laut der norwegischen Hilfsorganisation NRC auch im Kurdengebiet des benachbarten Irak angekommen. Als Chef der wichtigsten Militärmacht in Syrien und Schutzherr des syrischen Präsidenten, Bashar al-Assad, saß Putin im Gespräch mit Erdoğan am längeren Hebel. Russland wollte die Türken aber nicht vor den Kopf stoßen, denn Putin will Ankara weiter aus dem westlichen Bündnis herauslösen. Die Rechnung ging auf: Putin erreichte zwei Wochen nach Beginn der türkischen Intervention in Syrien ein Ende des Vormarschs – und ließ am Tag nach den Verhandlungen von Sotschi verkünden, dass Russland mit dem Nato-Staat Türkei über die Lieferung zusätzlicher Flugabwehrsysteme vom Typ S-400 redet.

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