Champions League

Die Marschrichtung der Bayern

Niko Kovaˇc schrie, gestikulierte, die Bayern siegten in Piräus auch – aber erneut herrschte nach Abpfiff keine Freude darüber.
Niko Kovaˇc schrie, gestikulierte, die Bayern siegten in Piräus auch – aber erneut herrschte nach Abpfiff keine Freude darüber.APA/AFP/ARIS MESSINIS
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Der 3:2-Wackelsieg in Piräus gefiel Vorstandschef Rummenigge gar nicht. In der Offensive bis auf Lewandowski harmlos, in der Abwehr schwach: „Wir spielen zu sorglos!“

Athen. Fußballspiele lösen bei Bayern München immer eine eigenartige Bestandsaufnahme aus. Gewinnt der deutsche Rekordmeister, wird sofort ein Haar in der Suppe gesucht. Ein Fehlpass, Müllers Unbehagen, eine Verletzung – irgendetwas findet sich immer, um das Erreichte nicht in den Himmel loben zu müssen beim traditionellen Bankett tief in der Nacht. Verlieren die Bayern, kann sich jeder einer Standpauke gewiss sein, die dann Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge in einem Lokal oder Hotel vom Stapel lässt.

Nach dem dritten Spieltag der Champions League blickte man also trotz des 3:2-Sieges gegen Olympiakos Piräus in nicht durchwegs zufriedene Gesichter. Und es war freilich Rummenigge vorbehalten, Alarm zu schlagen – ungeachtet dessen, dass die Bayern weiterhin ungeschlagen Tabellenführer sind. Ein „Wackelsieg“ sei es gewesen, von keinerlei großer Bedeutung, weil Piräus nur ein Leichtgewicht in dieser Szene sei. Und: „Ich glaube nicht, dass die Leistung, die wir gebracht haben, uns in diesem Jahr große Erfolge bescheren wird, wenn wir nicht die Kurve langsam kriegen. Wir spielen ein bisschen zu sorglos“, rügte Rummenigge in seiner zweiminütigen Ansprache unerwartet deutlich sein Personal: „Das führt irgendwann zu Problemen.“

Das Pingpong-Spiel mit Kovač

Der äußerst skeptisch wirkende Vorstandschef wies nach zwei Frusterlebnissen in der Bundesliga zwar auf den dritten Sieg im dritten Königsklassenspiel der Saison und all die blendenden Aussichten auf das Achtelfinale hin. Doch echte Freude, die sieht anders aus.

Die Problemzonen der Bayern sind bekannt. In der Offensive kommen alle bis auf Robert Lewandowski (traf zweimal) selten auf Touren. Die Defensive weist höchst beunruhigende Lücken auf. Das Loch wurde sogar größer, nach Süle (Kreuzbandriss) fällt auch der 80 Millionen Euro teure Rekordzugang Hernández mit einer Teilruptur des Innenbandes am rechten Sprunggelenk aus. Und Alaba? Noch weit von seiner Topform entfernt. Sehr weit sogar.

Nach solchen Auftritten, die in der peniblen und nach Glamour strebenden Chefetage – ab Mitte November hat Rummenigge die Vorherrschaft nach dem Abschied von Uli Hoeneß – nicht gern gesehen werden, kommt zumeist noch ein Punkt hinzu. Dann wird gern der Trainer angezählt, egal ob Niko Kovač daran schuld hat oder nicht.

Dies wurzelt in der Unzufriedenheit mancher Spieler wie Müller, der zwar gegen Piräus bei allen drei Toren beteiligt war, aber trotzdem wieder mit der Reservistenrolle wird Vorlieb nehmen müssen. Auch liefert Hoeneß mitunter Wortspenden („Martinez muss spielen“) ab, die Kovač die Arbeit nicht erleichtern. Dazu kommt das Spiel von „Bild“ und „Sport-Bild“, die ihn anzählen, alternierend vor dem Aus sehen und dann gefestigt wähnen.

Alternative Ralf Rangnick?

Am letzten Gag hat aber wohl der ganze Klub sehr zu nagen, sollte auch nur ein Hauch Wahrheit drinstecken: Rummenigge soll sich Ralf Rangnick, 61, als Trainer vorstellen können.

Wo steht der FC Bayern denn in diesem Herbst? „Nicht da, wo er sein soll“, sagte der Klubchef. Selbstverständlichkeit, Automatismen, Balance, all das stimme nicht. Schlimmer kann man mit einem Betreuer nicht ins Gericht gehen. Rummenigge tat es, beim Bankett, vor versammelter Mannschaft, VIP-Gästen und Medien. Damit ist auch klar, warum man in München seit seinem ersten Arbeitstag ungestört auf Kovač herumhacken kann: Er hat keine Rückendeckung.

Topspiele wie das 7:2 gegen Tottenham hin oder Flops in der Liga her, der Umgang mit dem Ex-Salzburger irritiert. Der Kroate, dem seine Chefs schon im Vorjahr einen Rotationsstopp empfahlen, steht wieder einmal vor schwierigen Wochen. Personelle Alternativen in der Abwehr fehlen, das Reizthema Müller ist nicht zu moderieren. Nur Siege könnten seinen Alltag erleichtern. Aber, irgendwer findet ja doch immer ein Haar in der Suppe. (fin)


Gruppe A: Brügge – PSG 0:5, Galatasaray – Real Madrid 0:1.

Gruppe B: Piräus – Bayern (mit Alaba) 2:3, Tottenham – Belgrad 5:0.

Gruppe C: Donezk – Zagreb 2:2, Manchester City – Bergamo 5:1.

Gruppe D: Atletico Madrid – Leverkusen 1:0, Juventus – Lok Moskau 2:1.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2019)

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