Zweitpass

Die Mehrheit der Südtiroler will keinen österreichischen Pass

Clemens Fabry
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Bei einer Umfrage sprachen sich 60 Prozent gegen einen österreichischen Zweitpass aus. Viele befürchten negative Auswirkungen.

Die große Mehrheit der Südtiroler steht der Idee einer Doppelstaatsbürgerschaft skeptisch bis negativ gegenüber. 60 Prozent der Befragten würden einer Umfrage zufolge selbst "sicher keinen" Doppelpass beantragen. Die Auslandsösterreicher wünschen sich dagegen einen besseren Zugang zur Doppelstaatsbürgerschaft. Das geht aus zwei Studien hervor, die am Mittwoch in Wien präsentiert wurden.

Die Idee der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an deutsch- und ladinischsprachige Südtiroler, wie sie von der türkis-blauen Vorgängerregierung in Aussicht gestellt wurde, stößt laut der Studie der Michael-Gaismair-Gesellschaft in Südtirol mehrheitlich auf Ablehnung. "Dabei gibt es zwischen der deutsch- und italienischsprachigen Bevölkerung kaum Unterschiede", erklärte der Politologe Günther Pallaver von der Universität Innsbruck bei der Präsentation der Untersuchung. Es handle es sich um die erste seriöse Umfrage unter Südtirolern zu diesem Thema, betonte der Obmann der Wiener Gesellschaft für Soziologie Max Haller.

63 Prozent der Bevölkerung in Südtirol halten demnach die Doppelstaatsbürgerschaft für eine problematische Idee oder lehnt sie völlig ab. Die italienische Sprachgruppe steht dem Doppelpass erwartungsgemäß mit großer Mehrheit (71 Prozent) kritisch gegenüber, aber auch unter der deutschsprachigen Bevölkerung überwiegt mit 62 Prozent klar eine negative Einschätzung. Demgegenüber hält nur ein Viertel der Bevölkerung die Doppelstaatsbürgerschaft für eine gute (20 Prozent) oder sehr gute Idee (5 Prozent), unter den deutschsprachigen Südtirolern sind 22 bzw. 6 Prozent dieser Ansicht.

Tatsächlich einen österreichischen Pass beantragen würde laut der Studie nur eine Minderheit. 13 Prozent der deutschsprachigen Befragten gaben an, sie würden "auf jeden Fall" von einer solchen Möglichkeit Gebrauch machen, 23 Prozent würden dies "unter Umständen". 58 Prozent wollten dies "sicher nicht".

Negative Auswirkungen befürchtet

Viele Südtiroler befürchten laut der repräsentativen Befragung, die im Frühjahr 2019 vom Institut für Sozialforschung und Demoskopie apollis in Bozen durchgeführt wurde, dass die Ermöglichung einer Doppelstaatsbürgerschaft für die deutsch- und ladinischsprachige Bevölkerung negative Auswirkungen auf das Zusammenleben der Sprachgruppen in Südtirol haben könnte. Sowohl unter den deutschsprachigen- als unter den italienischsprachigen Befragten teilten 40 Prozent diese Sorge. 36 Prozent sahen keine Auswirkungen, zehn Prozent gingen davon aus, dass sich das Verhältnis der Sprachgruppen dadurch verbessern könnte.

Weniger überraschend ist das Ergebnis einer ebenfalls am Mittwoch vorgestellten Befragung von Österreichern, die im Ausland leben. Die große Mehrheit (71,6 Prozent) würde den leichteren Zugang zur Doppelstaatsbürgerschaft für Österreicher, die schon länger im Ausland leben, befürworten. 65 Prozent der befragten Auslandsösterreicher würden demnach gerne die Staatsbürgerschaft des Landes, in dem sie leben, annehmen, allerdings nur dann, wenn sie die österreichische Staatsbürgerschaft nicht verlören.

Für die Umfrage im Auftrag des Weltbundes der Auslandsösterreicher wurden im vergangenen Monat insgesamt 2.400 Auslandsösterreicher online befragt. Weltbund-Präsident Jürgen Em sieht in der Umfrage eine wichtige Grundlage, das Anliegen nach einer einheitlichen Regelung der Doppelstaatsbürgerschaft für Auslandösterreicher voranzubringen. Untermauert wurde die Forderung mit dem Hinweis des Politologen Rainer Bauböck, dass der internationale Trend hin zur Erleichterung von Doppelstaatsbürgerschaften gehe. "Österreich ist mit seiner extrem restriktiven Haltung in eine Minderheitenposition gerückt", so Bauböck.

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