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Tote im Lastwagen waren Chinesen

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Ermittlungen deuten darauf hin, dass es sich bei den 39 Leichen in einem in London aufgefundenen Tiefkühltransporter um illegale Einwanderer aus der Volksrepublik handelte. Sie sind auf grausamste Weise erfroren.

London. Krisenbesprechungen der Innenministerin mit den Ermittlern, Andachtsstunden in lokalen Kirchen und erste Fragen nach dem Schutz der nationalen Grenzen: Großbritannien stand gestern, Donnerstag, weiter unter dem Schock der jüngsten Schleppertragödie. Nach ersten Polizeierkenntnissen handelte es sich bei den 39 Toten, die am Mittwoch in einem Industriegelände bei London gefunden worden waren, um chinesische Staatsbürger. Es waren acht Frauen und 31 Männer. Alle waren entgegen ersten Berichten erwachsen.

Die Opfer sind in einem Tiefkühl-Container gefunden worden. Ihr Tod muss unvorstellbar grausam gewesen sein. Richard Burnett, der Chef des britischen Speditionsverbands, sprach von „absolut schrecklichen Bedingungen“. Die Stahlcontainer werden auf minus 25 Grad gekühlt. Während die menschliche Bluttemperatur in dieser Situation langsam fällt, verlieren Körper und Geist immer mehr an Funktionsfähigkeit. Am Ende versuchen sich die verzweifelten Opfer gegenseitig Wärme zu spenden. Vergeblich.

Lkw-Fahrer alarmierte Rettung

Als die Rettungsdienste am Mittwoch um 1.40 Uhr die Leichen in dem Waterglade Industrial Park in Grays, 20 Kilometer östlich von London fanden, waren die Opfer in einem engen Knäuel miteinander verwoben. Nach vorerst nicht bestätigten Berichten war es der Fahrer des Lkw-Transports, Mo Robinson, selbst, der die Leichen entdeckt und die Rettung alarmiert hatte. Er befindet sich weiter in Polizeigewahrsam.

Im Heimatort des 25-jährigen Nordiren lösten die Nachrichten große Bestürzung aus. Gemeinderat Paul Berry aus Robinsons Heimatort Laurelvale: „Seine Familie steht völlig unter Schock.“ Die ganze Gemeinde „hofft, dass er unschuldig in diese Angelegenheit geraten ist“. Die Polizei in Nordirland durchsuchte drei Wohnsitze, während landesweit die National Crime Agency Ermittlungen gegen „organisiertes Verbrechen“ bestätigte.

Robinson, der mit einer Friseurin liiert ist und mit ihr Zwillinge erwartet, übernahm den Container mit der tödlichen Fracht im Hafen Purfleet am Mittwoch kurz nach Mitternacht um 1.05 Uhr Lokalzeit. Der Transport war nach zehnstündiger Überquerung des Meers aus dem belgischen Frachthafen Zeebrugge eingelangt, wo er am Dienstag um 14.29 Uhr von den Hafenbehörden registriert worden war. Es wurde davon ausgegangen, dass die 39 Personen zu diesem Zeitpunkt bereits in dem Container waren: „Kühlcontainer in der Ladezone sind versiegelt“, sagte Hafenchef Joachim Coens. Eine Manipulation sei unmöglich, und erst nach genauer Prüfung erfolge eine Verschiffung.

Dennoch rückte auch Belgien in den Blickpunkt der Ermittler. Seit sich die politischen Bemühungen auf eine Schließung der Flüchtlingsroute zwischen Calais und Dover konzentrierten, weichen immer mehr Schlepper auf andere Strecken aus. Seit drei Jahren warnen die Grenzbehörden vor wachsender Ausdehnung der Schlepperaktivitäten bis zur nordenglischen Küstenstadt Hull. In einem Bericht von 2016 hieß es: Als Reaktion auf das Vorgehen gegen Menschenschmuggler steige „die Wahrscheinlichkeit, dass mehr und mehr Menschen in Containern ins Land gebracht werden“.

„Jede Nacht kommen Lastwagen mit Menschen“

Um wie viele es sich handelt, wollten die britischen Behörden nicht bekannt geben. Medienberichten zufolge sollen in den ersten zehn Monaten 1456 Menschen die illegale Überquerung des Ärmelkanals versucht haben, von ihnen seien „mehr als 85“ zurückgewiesen worden.

Die Dunkelziffer ist jedoch völlig unbekannt. Ein Taxifahrer berichtete: „Jede Nacht kommen Lastwagen mit Menschen. Die Menschen kommen auf dich zu, sie sprechen kein Englisch. Sie drücken dir ein Telefon in die Hand, und jemand sagt dir die Adresse, wo du sie hinbringen sollst.“ Kaum im Land, sind die Menschen verschwunden.

Menschenrechtsorganisationen betonten, dass die Schließung legaler Einreisewege eine tödliche Gefahr für Flüchtlinge und ein blühendes Geschäft für Verbrecher sei. Um in Großbritannien Asyl zu beantragen, muss man im Land sein. Von den 18.519 Anträgen aus der ersten Jahreshälfte 2019 wurde weniger als ein Prozent positiv entschieden. Dazu die Hilfsorganisation Joint Council for the Welfare of Immigrants: „Die Letztverantwortung für den Tod dieser Menschen hat die Regierung.“

(APA/dpa)

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Die Polizei nahm den Lenker des Lastwagens, einen Nordiren, fest. „Es war nur eine Frage der Zeit, bis so etwas wieder passiert", sagt Gerald Tatzgern vom Bundeskriminalamt in Wien.

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