Der Journalist Deniz Yücel hat ein Buch über seine Haftzeit in der Türkei geschrieben. Der türkische Präsident hat eigens ein Wort für ihn erfunden, erzählt er. Ein Gespräch über juristische Grotesken, über das schwierige Schreiben und die große Solidarität.
„Die Presse": Wie geht es Ihrer Anklage?
Deniz Yücel: Nicht so gut. Das ist wiederum für mich gut. Ich verfolge sie ja aus der Ferne.
Die türkische Justiz fordert 18 Jahre Haft für Sie...
Ja, aber die Justiz ist hier nicht entscheidend. Sie tut das, was die politische Führung ihr sagt. Man hat mich ein Jahr lang auf eine Anklageschrift warten lassen. Die war dann weitgehend identisch mit dem Hafturteil und bestand im Wesentlichen aus meinen Artikeln in der „Welt“. Als die Anklageschrift endlich vorgelegt wurde, sagte mir der deutsche Generalkonsul: „Die türkische Regierung lässt Sie laufen, aber die Bedingung lautet, dass Sie sofort das Land verlassen.“ Der türkische Staat fordert also 18 Jahre Knast für mich, aber sagt mir gleichzeitig: „Verschwinde bloß!“ Bei mir war nicht nur die Verhaftung rechtswidrig, sondern auch die Umstände meiner Freilassung.
Juristische Grotesken dieser Art sind in der Türkei keine Seltenheit.
Um Absurditäten ist die türkische Justiz, wie überhaupt alle autoritären Regimes, nie verlegen. Aber diese Episode hat noch einmal gezeigt, was meine Geschichte von anderen unterschieden hat. Interventionen von der Staatsführung, die öffentliche Vorverurteilung, das war selbst für türkische Verhältnisse außergewöhnlich. Der Staatspräsident hat mich als „Agentterrorist“ beschimpft.