Schöne Sandstrände locken die Thais zum geselligen Beisammensein mit Speis und Trank, nicht zum Baden im Meer oder gar, igitt, Sonnenbaden.
Thailand

Was machen die Thais am Meer? Nicht baden!

Das winzige Fischerdorf Hua Hin wurde königliche Sommerresidenz und zum Wochenend-Refugium der Metropole Bangkok.

Verlängertes Wochenende, in Scharen sind die Thais nach Hua Hin gereist, zweieinhalb Stunden von Bangkok per Auto, Taxi, Bus. Im luftigen Außenposten der Hauptstadt beginnt jetzt ihre liebste Zerstreuung: gemeinsam essen und trinken. Es dampft aus Töpfen, Pfannen, Woks und von glühenden Grills auf den Piers des alten Fischerviertels Nares Damri. Nach gaprao, Thai-Basilikum, duftet die Luft, nach Knoblauch, Kokosmilch, Fischsauce, Koriander . . .

Reisende aus fernen Ländern gesellen sich dazu, Golfplätze, luxuriöse und Design-Hotels locken, dazu die gute Restaurantszene. Beim Essen kommen sie zusammen, die Thais und die farangs, die weißhäutigen Fremden (nach der Thai-Version von française – farangsed), ansonsten nicht, man hat jeweils andere Auszeit-Gelüste.

Scharfe Curries werden aufgetischt, scharfer Glasnudelsalat mit Meeresfrüchten, „Yam Wunsen Thalee“, und „Tom Yam Gung“, die Suppe, hat es in sich. Farangs tut's beim ersten Mal noch weh, es dauert, bis das Feuer im Mund erlischt. Derweil unter ihnen das Meer auf den Sand schwappt, die Nacht alles in tropische Wärme hüllt und es im Labyrinth der Gassen aus Massagesalons und Bars rötlich leuchtet.

Mit dem Zug von Bangkok nach Hua Hin: Ankunft am Bahnhof von 1926, stilistisch in „British Victorian“ und „Chinese“ gehalten.
Mit dem Zug von Bangkok nach Hua Hin: Ankunft am Bahnhof von 1926, stilistisch in „British Victorian“ und „Chinese“ gehalten. (c) Getty Images/iStockphoto (nunawwoofy)

Maritime Tradition

Seit hundert Jahren ist Hua Hin Thailands allererstes Seebad, und ein königliches obendrein. Zuvor war da nicht viel, ein paar Holzhäuser am Golf von Siam und in der See ein paar Felsen. „Hin“ heißt Fels in Thai, und weil sie daran erinnern, nannte man sie „hua“, Kopf, und den Ort Hua Hin – Felskopf, ein Dorf der Fischer. Lang war die Nares Damri Road ihr Zuhause und Handelsplatz für den frischen Fang, eine Gasse am Meer, gesäumt von Holzhäusern.

Es gibt sie noch, doch alles ist anders. Vom einstigen Railway Hotel, nun Centara Grand, führt sie unter bunten Fähnchen an Läden, Massagesalons und Geldautomaten vorbei, an Restaurants, Maklerbüros, einmal mit, einmal ohne Gehsteig. Manche Häuser beherbergen heute Restaurants, eine Ersatzwelt in der maritimen Tradition der Straße, bis heute wird Hua Hin für seine Meeresfrüchte gerühmt. Aus gläsernen Tanks wählt die Kundschaft vor dem Chaolay Seafood lebende Krebse, Langusten und Fisch, serviert wird eine Treppe höher auf der weiten Pier über der See, wo man früher Tintenfisch und Fangnetze trocknete. Ferne Lichter der Fischerboote flimmern in der Schwärze der Nacht. Tintenfisch locken sie damit an.

In Sachen Nachtleben hat Thailand einen schlechten Ruf, Hua Hin hingegen einen schlichten – man ist schließlich dem Königshaus verbunden. Prinz Nares war als Minister für den Bau der Eisenbahn von Bangkok nach British Malaysia zuständig und gönnte sich seinerzeit hier ein Palais. Mit der Bahn kamen ab 1922 Prinzen und Prinzessinnen, Siams Könige bauten sich Paläste am Meer – aus Teakholz, pastellfarben, wie dahingeträumt und von schwebender Leichtigkeit – im Nachbarort Cha-am. Zu allem Glück Hua Hins legte ein schottischer Bahnbauingenieur damals den Royal Hua Hin Golf Course an, auf dem künftig Golfadel abschlug.

Bhumiphol und Sirikit

Logieren königliche Gäste heute in Hua Hin, schiebt die Royal Thai Navy auf dem Meer Wache. Lang war das unter König Bhumiphol und Königin Sirikit der Fall. Alljährlich kam der König in sein geliebtes Seebad. Und wo er war, da fühlten sich auch die Thais wohl. Ihm verdankt Hua Hin seinen Wohlstand, die vielen Gäste, seine Musik, den Jazz, und das Jazz Festival auf dem Strand.

Hua Hin ist ein Glücksfall für Thailand-Besucher und die Hauptstädter – so nahe an Bangkok. Wenn der Monsun die Regenfluten bringt, ist es hier weniger nass. Die Seeluft macht die große Hitze von März bis Mai erträglicher. Da sei man gut aufgehoben, fand die feinere Gesellschaft Bangkoks, als sie dem Hof folgend kleine Teakpaläste als Strandvillen in die Meeresbrise baute.

In diesem noblen Aufbruch schuf der Italiener A. Rigazai das Railway Hotel aus Holz und Ziegeln, wolkenweiß und mit luftigen Veranden – inspiriert von des Königs Sommerresidenz in Cha-am. Vierzehn Zimmer, Bar, Billardsalon, Restaurant und selbst Wein-Lagerräume luden ab 1922 in das unvergleichliche Hotel. Leider nahm man ihm den schönen Namen, der von gemächlichem Reisen unter Volldampf träumen lässt. Erweitert und renoviert steht es heute ziemlich grandios im weiten, manikürten Park. Wer es ganz historisch mag, bucht im Colonial Wing des Hauses. Hier ist es schön hellhörig und riecht auch nach antiken Düften der Installation. Die Tealounge namens Museum in der einstigen Lobby offeriert Törtchen und Canapés umgeben von Porzellan und Besteck der alten Siam Railways, Radioempfängern und Fotos alter Zeiten, darunter von Miss Thailand 1940, die zu Gast war.

Zwei Welten am Strand von Hua Hin
Zwei Welten am Strand von Hua HinReuters

Ein bisschen schlicht und ein bisschen schick und schön unaufgeregt ist dieses Seebad der Thais. Unternehmen kann man einiges, aber nichts drängt sich auf. Die Menschen leben von Handwerk und Tourismus und sind ein umgängliches Völkchen. Der Fremde begegnet Thais in privater Aufgeräumtheit auf dem langen, weißen, rauchfreien Strand, über den man auf Pferdchen reiten kann. Vorbei geht's an Resorts, wo früher Villen standen – die eine oder andere ahnt man noch in weiten alten Gärten. Am Wochenende ist alles am schönsten. Auch dann muss man nicht um Könige herumschwimmen, selbst ungekrönte Thai-Häupter machen sich rar im Wasser. Thai-style beachlife ist etwas anderes als Strandurlaub für farangs, die Muße suchen, ihrem Ego im Liegestuhl in Hochglanzmagazinen nachblättern, sportlich unterwegs sind, in der Sonne baden oder im Meer. Was machen Thais also in einem Seebad? Nichts, was für farangs nach Seebad klingt, wo man in der See badet, „die gute Seeluft“ einatmet oder nordisch walkt. Thais können tolle andere Sachen: flink auf High Heels ins Spa stöckeln, ausdauernd und präzise vor sich hinschlurfen. Aber sie gehen nicht an den Strand, um zu schwimmen. Wenn überhaupt, spielen sie im warmen Meer, liegen in prallen Reifenschläuchen darin und tragen dabei mindestens T-Shirt. Sie möchten vor allem „sanúk“ am Strand, Spaß, und den gemeinsam.

Einen Katzensprung von der Nares Damri Road entfernt ballen sie sich auf dem Sand neben dem Hilton Hotel. Unter schachtelhalmblättrigen Kasuarinen stehen dicht an dicht Garküchen, überall köchelt es. Groß und Klein sitzt in Liegestühlen um kleine Tische unter einem Himmel aus Sonnenschirmen. Wahre Bankette prangen auf den Tischchen. Immer mehr Teller und Schalen voller Essen und Dips finden Platz, auch noch der gegarte Fisch und ein Blumentopf mit Plastikblumen, bis zum süßen Finale Stunden später: Mango mit Klebereis.

Der Strand ist ein Schlaraffenland. Snacks, bei denen man nicht Nein sagen kann, kommen immer wieder einmal in zwei geflochtenen Körben an einer sich wiegenden Bambusstange vorbei. Die barfuß tippelnde Trägerin balanciert sie auf einer Schulter durch den Sand. Farangs trauen dem Braten nicht, womöglich hat man im Fruchtsalat einmal auf Chili gebissen. Den Thais aber bringt sie Wunderbares: in Bananenblätter gewickelten Klebereis mit Schweinernem, saftige Ananas, Kokosmilch-Pudding, süße Mango . . .

Anderes rollt vorbei. Zum Beispiel dieser wundersame Tisch auf zwei Rädern samt kleiner doppelläufiger Walze, mit der eine Thai getrocknete Tintenfische noch platter und weicher macht und sie an einem Mini-Wäscheständer mit Klammern befestigt, während sie den Tintenfischwalzentisch weiterschiebt. Wie Pergament hängen sie da, aber nicht lang. Zu dem salzig-fischigen Proteinsnack – für je nach platter Größe 20 oder 40 Baht – gibt es einen Dip, süß und scharf.

Posen auf dem Felsen
Posen auf dem FelsenReuters (Adrees Latif)

Fotos auf den Felsen

Wenn die Schatten der Palmen länger werden, das Licht weicher wird, kommen mehr Thais, oft auf ein Picknick, und die im Zwielicht werden reger. Nicht nur ihr schmeckendes, auch das sehende Ich findet nun Selbstverwirklichung – Solo- oder Gruppenselfies am Meer, einige Meter vor dem Meer, bei Ebbe auf den hua hins im Meer und davor. Neuankömmlinge sind für Selfie-Epen präpariert, Make-up, Frisur perfekt – klick, klick. Nur nicht im Meer, das ist nass und nicht gut fürs Styling.

Ein Pärchen inszeniert sich in wehender Kleidung in Dramaposen. Vor einem Hotel ist auf dem Sand eine Bühne in Pink und Weiß mit einem Thronsessel wie eine Hochzeitstorte aufgebaut, es wird geheiratet. Farangs joggen noch vorbei, schwimmen, schauen aus Hotelgärten und machen ebenfalls Selfies.

In einer Gesellschaft, in der Kosmetika ohne Whitening-Versprechen unverkäuflich sind, käme keine Thai auf die Idee, sich zu sonnen. Schon gar nicht ohne Oberteil, wie die beiden nicht mehr so jungen blonden Damen da vorn. Seit Stunden sind sie rot wie ein Krebs. Nacktheit verletzt das Schamgefühl der Thais und gilt als Vergehen. Piu dam – „gebräunter Teint“ in Thai, im Westen heute die zweifelhafte Botschaft, dass man sich Urlaub leisten kann, steht hier für das Gegenteil – für eine niedere Tätigkeit im Freien. Da ist Spaß im Zwielicht ja so viel besser.

Tipps

Essen/Shoppen:

Hua Hin Nightmarket Dechanuchit Alley (Soi 72), viele Seafood-Angebote auf der Straße.

Cicada Market am Wochenende, cicadamarket.com.

Chatchai Market: traditionsreicher Markt, am besten frühmorgens.

Garküchen und Obststände auf vielen Straßen.

Orchids: gute Thai-Küche, hübsches Interieur im alten Fischerviertel, fulayhuahin.com

ChaoLay Seafood: Fisch und Meeresfrüchte à la Thai mit großer Terrasse über dem Meer.

Brasserie de Paris: gutes Französisches auf einer alten Pier, gute Weinauswahl, brasseriedeparis.net.

Trinken:

Cheers Winebar mit großer Weinauswahl und Happy Hour auf der Nares Damri Alley.

Elephant Bar im Centara Grand, nostalgische Vibes und dezente Livemusik.

Anschauen/Erleben:

Bahnhof von 1926, stilistisch in „British Victorian“ und „Chinese“ gehalten laut Infotafel.

Tempelhügel Khao Takiap im Süden der Stadt.

Elefantenklinik Hutsadin Elephant Foundation, hutsadin.com.

Phra Ratchaniwet Maruekkhathaiyawan: Palast im nahen Cha-am

Weingut Monsoon Valley, monsoonvalley.com.

Nahe Nationalparks:

Größter Nationalpark Thailands: Kaeng Krachan; Kui Buri Nationalpark; Khao Sam Roi Yot Nationalpark, thailandnationalparks.com.

Info:thailandtourism.de, tourismhuahin.com

Schlafen nahe der Nares Damri:

Diverse Guesthouses im alten Fischerviertel.

Centara Grand Hua Hin Beach Resort: 5 Sterne, das ehemalige Railway Hotel, großzügige Garten-/Park-/Poolanlage, centarahotelsresorts.com

Cape Nidhra: 5 Sterne, luxuriös, behagliches asiatisches Design am Strand, capenidhra.com.

Hyatt, Mariott, Intercontinental und andere Hotelketten betreiben 5-Sterne-Häuser vor Ort.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2019)

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