Kulturwissenschaft

Neues Studium verbindet Kunst mit Wissenschaft

Ein gemeinsamer Studiengang von vier Linzer Universitäten bringt neues Format in die Bildungslandschaft.

Vier Universitäten, ein interdisziplinäres Studium: Seit Beginn des Wintersemesters kann man in der oberösterreichischen Landeshauptstadt Kulturwissenschaften studieren. Der Bachelorstudiengang wurde in Kooperation von vier Linzer Hochschulen entwickelt – Kunstuniversität Linz, Johannes-Kepler-Universität (JKU), Katholische Privatuniversität Linz und Anton-Bruckner-Privatuniversität – und findet auch an allen vieren statt. Bisher waren die Geistes- und Kulturwissenschaften im Studienangebot der Linzer Universitäten unterrepräsentiert, heißt es vonseiten der Katholischen Privatuniversität. Laut deren Rektor, Franz Gruber, sei das Zukunftsweisende des Studiums, „strukturell, weil wir aus dem Mangel eine Chance ergreifen, zusammenzuarbeiten; und studientechnisch, weil die Studierenden an vier Unis aus vier verschiedenen Perspektiven ihr Curriculum absolvieren“.

Nach der bestandenen Aufnahmeprüfung können die rund 25 Studenten im Laufe der sechs Semester aus fünf Kernfächern wählen – Kulturwissenschaften, Kunstgeschichte, Philosophie, Geschichte und Medienwissenschaften – oder sich ohne Schwerpunktsetzung einen Gesamtüberblick verschaffen. Für die Lehrveranstaltungen müssen sich die Studenten zwischen den vier kooperierenden Bildungseinrichtungen bewegen. „Die Verbindung der vier Institutionen bringt eine neue Art von Bewusstsein darüber, mit Kunst und Wissenschaft umzugehen“, sagt Amalia Barboza. Die studierte Soziologin und bildende Künstlerin unterrichtet künstlerische Forschung an der Linzer Kunstuniversität – die Professur wurde extra für den Studiengang eingerichtet – und leitet die Studienrichtung seit Oktober.

Kreative Praxis

„Der Vorteil an den fünf Kernfächern ist, dass die Studierenden die unterschiedlichen Fachkulturen kennenlernen und so die breite kulturwissenschaftliche Landschaft mitbekommen“, sagt Barboza. Wer Kulturwissenschaften studieren möchte, sollte kreativ, neugierig und experimentierfreudig sein, denn das Studium sei ideal für Menschen, die sich gern kreativ ausleben und gleichzeitig wissenschaftlich arbeiten möchten. Durch den künstlerisch-wissenschaftlichen Zugang führt es an die kulturwissenschaftliche Forschung und die praxis- und medienbasierte Reflexion des kulturellen Felds heran. So würden neben den methodischen oder analytischen Fähigkeiten auch die Vermittlungskompetenzen der Studenten gefördert, wie etwa akademisches Schreiben, Präsentations-, Moderations- und Diskussionsfähigkeit.

Kunst als Wissensform

Ziel des Bachelorstudiums ist es, „ein Verständnis für die Spezifik von Kunst als Wissensform zu vermitteln“. Dafür sei die Praxis sehr wichtig, so Barboza, weshalb die Studenten ab dem zweiten Semester in Laboren IT-Kompetenzen erlernen, sowohl wissenschaftliches als auch journalistisches Schreiben üben und recherchieren, archivieren, kuratieren. Im aktuellen Wintersemester finden Fotografie- und Siebdruck-Kurse statt, und die Anton-Bruckner-Privatuniversität ergänzt die kreativen Lehrveranstaltungen um die musikalischen.

Wie für jede Kunstklasse gibt es für die Studenten der Kulturwissenschaften einen eigenen Raum an der Linzer Kunstuniversität, wo sie an Projekten arbeiten können. „Das Schöne ist, dass die Praxis hier an der Kunstuniversität gleich integriert ist, weil die Studierenden an Ort und Stelle mit Kunst konfrontiert werden“, sagt Barboza.

Beruflich sind Absolventen der Kulturwissenschaften meist in Museen und Archiven, im Journalismus, Tourismus und Sozialbereich anzutreffen. Ein Bachelor-Abschluss am Linzer Standort qualifiziert die Studenten je nach gewählten Schwerpunkten für die jeweiligen Masterstudiengänge. Wer sich nicht auf Kernfächer fokussiert hat, kann ein Masterstudium in Medienkultur- und Kunsttheorien an der Kunstuniversität, Politische Bildung an der JKU oder Kunstwissenschaft und Philosophie an der Katholischen Privatuniversität anschließen.

Mögliche Alternativen

Zu den kulturwissenschaftlichen Studienangeboten in Österreich zählt auch Europäische Ethnologie, die sich mit kulturellen Entwicklungen im Alltag beschäftigt, an der Karl-Franzens-Universität Graz und der Universität Wien. Am Grazer Institut geht der Trend ebenfalls Richtung Praxis: „Der neue Master, ein Projektstudium, ermöglicht den Studierenden ein neuartiges Learning by Doing, indem sie von Beginn an Teil eines Forschungsprojekts und zum Schluss maßgeblich an der Dissemination der Forschungsergebnisse beteiligt sind“, sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Lydia Arantes. So entstanden bereits Sammelbände und Konzepte für Ausstellungen.

Im Studium der Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien liegt der Fokus auf Kultur-, Sozialanthropologie und deren Theorieentwicklungen sowie methodologischen Ansätzen. Die Universität Klagenfurt bietet Angewandte Kulturwissenschaften als interdisziplinäres Bachelor- und Masterstudium an und ähnelt damit dem Linzer Format am ehesten. Dort umfassen die Pflichtlehrveranstaltungen Sprachen, Kulturwissenschaft, Feldforschung und Grundlagen des Kulturmanagements.

INFOS

Kulturwissenschaftliche Studien:

• Kulturwissenschaften: Studium an vier Linzer Unis. www.ufg.at

• Europäische Ethnologie, studierbar in Wien oder Graz:

www.euroethnologie.univie.ac.at

www.kulturanthropologie.uni-graz.at

• Angewandte Kulturwissenschaften in Klagenfurt: www.aau.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2019)

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