Mein Freitag

Wir waren immer draußen und schrecklich mutig

Ein Kind benutzt ein Smartphone und geht ueber das Internet auf die Youtube Seite
Ein Kind benutzt ein Smartphone und geht ueber das Internet auf die Youtube Seiteimago images / Thomas Eisenhuth
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Es gibt so unheimlich viele blöde Ideen, davon kam man sich überzeugen, wenn man Jugendlichen über die Schultern lugt, während sie sich über das zerkugeln, was sie sich immer und immer wieder in minutenlangen Clips anschauen.

Wenn ihr das auch bei den Vokabeln so machen könntet, brav alles wiederholen, aber den Satz bringe ich nicht einmal zu Ende, denn leider, der 30-Sekunden-Slot für Erwachsenen-Input ist schon vorbei, und das war wirklich eine entbehrliche Meldung, echt jetzt.

Wenn man ehrlich ist, hat sich der Blödsinn, der Spaß macht, nicht wirklich verändert über die Jahre, nur die Art, ihn zu dokumentieren. Mutproben oder Wetten sind zu „Challenges“ geworden. Da gilt es, in der Badewanne möglichst lang unterzutauchen oder zu schauen, wer es denn am längsten in den Winter hinein schafft, mit kurzen Hosen in die Schule zu gehen. Wenn das so weitergeht mit dem Föhn besteht die Herausforderung aber eher darin, im Dezember mit einer Winterjacke außer Haus zu gehen.

Was haben wir gemacht, früher? Wir sind im Winter mit der Zunge an Verkehrsschildern picken geblieben, weil die Herausforderung darin bestand, sich das bei Minusgraden zu trauen. Was für ein Glück, dass es davon keine Fotos gibt. So richtig mutig war es auch, einen Abkürzer über den nur scheinbar zugefrorenen Fluss zu gehen, einzubrechen und die ganze Aktion bei nächster Gelegenheit zu wiederholen. Aber weil es in der Natur war, die Zunge verheilt und die Hosen getrocknet sind, hält man sich im Rückblick für verwegener als die Teenies, die Fremde auf der Straße nach dem Wert ihres Outfits fragen.

Auch die Argumente, warum wir unser Jugendlichsein rückblickend wie eine einzige Heldentat einschätzen, beschränken sich im Wesentlichen auf zwei Dinge. Wir hatten kein Handy, und wir waren immer draußen. Kein Wunder, dass das mit der Vorbildwirkung nicht so richtig klappt.

E-Mails an:friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2019)

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