Unternehmen mit Verantwortung

„Die Reise hat gerade erst begonnen“

WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf und Moderatorin Claudia Reiterer
WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf und Moderatorin Claudia Reiterer(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Lebensmittelhersteller Spitz hat wieder einen Chef aus der Eigentümerfamilie. Mit 100 Millionen Euro sollen dort Computer die Zettelwirtschaft ersetzen – ohne, dass Mitarbeiter abgebaut werden.

Es kann mühsam sein, mit der Tradition zu brechen. Für Walter Scherb junior war es leicht. Die Tradition der Industriellenfamilie aus Oberösterreich besagte, dass man sich im Hintergrund hält. Aber Scherb spricht offen, gibt Interviews, lädt zu Besichtigungen nach Attnang-Puchheim, wo der familieneigene Lebensmittelhersteller Spitz seine Waffeln, Liköre und Kokoskuppeln vom Fließband lässt. Die Geschichte des Unternehmens ist 162 Jahre alt. Die seines neuen Geschäftsführers erst 30. Anfang Jänner hat Walter Scherb das Ruder bei Spitz übernommen – und gleich begonnen, es ordentlich herumzureißen.
Sein Ziel: Die Firma ins digitale Zeitalter bringen, trotzdem keine Mitarbeiter abbauen und die Lebensmittelmarke Spitz bekannter machen. Am Mittwochabend wurde der Spitz-Chef zum Österreicher des Jahres in der Kategorie Unternehmen mit Verantwortung gekürt. „Ich freue mich über die Anerkennung und das Vertrauen“, so Scherb.

Gasteiner Mineral und Auer-Waffeln

Produkte aus dem Hause Spitz verschwinden oft hinter Logos der großen Supermarktketten. Nur Hofer besteht darauf, dass Spitz sich zeigt. Wie sich die Familie aus der Deckung wagt, so soll es jetzt auch die Marke tun: „Bei Rewe und Spar würden wir auch noch gern draufstehen“, sagte Scherb kürzlich zur „Presse“. Von den 256 Mio. Euro Umsatz werden 65 Prozent unter fremden Namen gemacht. Der Rest mit den eigenen wie Gasteiner Mineral und Auer-Waffeln.
Als Scherb vor bald vier Jahren anheuerte, hatte er die Expertise aus seiner Zeit bei McKinsey in London im Gepäck. Der logische Schritt war, bei Spitz eine hauseigene Strategieabteilung zu gründen. Diese Strategie lautet jetzt: Auf ins digitale Zeitalter. In den nächsten fünf Jahren investiert Spitz 100 Mio. Euro in die Automatisierung des Werks. Die Software gibt Order an das Lager ab, startet Aufträge für die Produktion von Waffelteig und Creme und bestellt Verpackungen. Zeitlich perfekt aufeinander abgestimmt.

Praktischer Nebeneffekt: Jeder Schritt lässt sich zurückverfolgen – bis zu jedem einzelnen Ei im Kuchen. „Die Reise bei Spitz hat gerade erst begonnen“, verspricht Scherb. Reisepartner ist der deutsche Siemens-Konzern, der für die Analyse und Vernetzung der Daten zuständig ist. Für Siemens ist Spitz eine moderne Referenzfabrik, die auch internationale Besucher anzieht.
Mit den gewonnenen Daten soll etwa die Rezeptur an den Zuckergehalt der Früchte für Sirupe und Konfitüre angepasst werden. Auch Arbeitsunfälle lassen sich voraussagen. Bleibt die Frage, wie das die 750 Mitarbeiter sehen. Die Bindung im Betrieb sei stark, die Fluktuation niedrig. Und das soll so bleiben: Dem großen Personalabbau, Maschine statt Mensch, erteilt Scherb eine Absage. Das solle über „natürliche Fluktuation“ gehen.

Nach fast zehn Jahren steht bei Spitz mit Scherb junior wieder ein Familienmitglied an der vordersten Front. Was kann ein Chef aus der Familie besser als ein externer Manager? An der Spitze müsse jemand stehen, der die Vision des Unternehmens trägt und vorantreibt. „Und da tun sich Familienmitglieder leichter“, findet Scherb.
Während er Spitz ins neue Zeitalter trägt, mit Medien spricht und im Betrieb alles auf den Kopf stellt, hält sich sein Vater weiter im Hintergrund. Walter Scherb senior verwaltet das millionenschwere Familienimperium mit seinen Immobilien- und Industriebeteiligungen. Wie am Wiener Arsenal und früher an Böhler-Uddeholm. Druck verspüre er seitens seines Vaters keinen, so Scherb junior. Der stört sich offenbar auch nicht an der neuen Offenheit seines Sohns. „Wenn ich offen kommunizieren und Interviews geben möchte, ist das fein für ihn.“

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