Der Vizekanzler schafft es in die Stichwahl um den SPD-Vorsitz. Es kommt zum Showdown mit Norbert Walter-Borjans vom linken Flügel. Ausgang: offen.
Olaf Scholz ist am frühen Samstagabend in der SPD-Zentrale im Willy-Brandt-Haus. Und er ist erleichtert, wie er in die Kameras sagt. Ein paar Minuten zuvor wurde das Ergebnis der Urwahl des SPD-Vorsitzes verlesen. Und Scholz ist zumindest nicht blamiert. Sondern noch im Rennen. 22,68 Prozent der Genossen votierten für ihn und die Brandenburgerin Klara Geywitz und damit für das einzige Duo im Kandidatenfeld, das sich eindeutig für eine Fortsetzung der Großen Koalition steht. Scholz, das mit Abstand bekannteste Gesicht im Bewerberfeld, hat mit diesem keineswegs eindrucksvollen Ergebnis also die Chance auf den SPD-Vorsitz gewahrt. Aber auch nicht mehr. Denn es kommt nun zum großen Showdown, zum Duell mit dem Kandidatenpaar Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken vom linken Flügel, die mit 21,04 Prozent der Stimmen auf Platz zwei landeten. Von 19. bis 29. November geht die Stichwahl zwischen den beiden Duos in Szene.
„Nowabo“, wie die Genossen Norbert Walter-Borjans nennen, ist der deklarierte Favorit der Jusos von Kevin Kühnert. Die Große Koalition sieht er äußerst skeptisch, auch wenn er und seine Partnerin, die Bundestagsabgeordnete Esken, bisher nicht explizit den Austritt aus dem schwarz-roten Bündnis gefordert haben. Den „Anti-Scholz“ nannte Nowabo die Süddeutsche Zeitung einmal. Die Genossen haben also die Wahl zwischen zwei Gegensätzen, zwischen der Fortsetzung des bisherigen Kurses, einem impliziten „Weiter so", oder einem Ruck nach links. Nowabo hat dabei den mächtigsten und größten Landesverband Nordrhein-Westfalen hinter sich. Dort, in NRW, war der 67-Jährige einst Landesfinanzminister. Er kaufte Steuersünder-CDs an. Dem Staat brachte das Milliarden ein, wie das Kandidatenpaar im internen SPD-Wahlkampf auch bei jeder Gelegenheit erzählte.
Auf Platz drei der Urwahl landeten Christina Kampmann und Michael Roth, die mit zur Schau getragener guter Laune für sich warben. Damit fällt man auf in der SPD. Auf Platz vier folgten Nina Scheer und Karl Lauterbach und damit jenes Paar, das am deutlichsten für einen Austritt aus der Großen Koalition geworben hatte (14,63 Prozent), dicht dahinter landete das zweite eher konservative Paar neben Scholz/Geywitz, nämlich Petra Köpping und Boris Pistorius (14,61). Das älteste Duo ging als Schlusslicht durchs Ziel: Die 76-jährige Gesine Schwan und Ralf Stegner kamen auf 9,63 Prozent.
Nicht nur für die Kandidaten, sondern auch für die Wahlbeteiligung gab es am Samstag im Willy-Brandt-Haus Applaus: Etwas mehr als jedes zweite der 425.630 SPD-Mitglieder hat eine Stimme abgegeben, was man in der SPD-Zentrale offenbar als Erfolg wertete.
Parteivorsitz seit Juni vakant
Die SPD ist nun schon seit Juni, seit dem Rücktritt der glücklosen Parteichefin Andrea Nahles, ohne gewählte Führung. Und sie durchlebt die schwerste Krise der Nachkriegsgeschichte. Umfragen weisen die Partei bundesweit nur noch bei 14 bis 16 Prozent aus. Am Sonntag droht bei der Landtagswahl im ostdeutschen Thüringen die nächste Wähler-Ohrfeige. Die Sozialdemokraten könnten in die Einstelligkeit schrumpfen.
Es sind also schwere Zeiten für die Genossen, die nun erstmals in der Nachkriegsgeschichte auf ein Duo an der Spitze setzen wollen. Außerdem sollte die zweite Urwahl der Parteiführung nach 1993 der verunsicherten Partei neues Leben einhauchen. Kreuz und quer tourten die Kandidatenpaare seit Anfang September durch die Republik. Immerhin 20.000 Genossen sahen sich diesen internen Wahlkampf, die 23 Regionalkonferenzen, vor Ort an.
Die Ergebnisse im Detail:
Klara Geywitz/Olaf Scholz: 22,68 Prozent
Saskia Esken/Norbert Walter-Borjans: 21,04 Prozent
Christina Kampmann/Michael Roth: 16,28 Prozent
Nina Scheer/Karl Lauterbach: 14,63 Prozent
Petra Köpping/Boris Pistorius: 14,61 Prozent
Gesine Schwan/Ralf Stegner: 9,63 Prozent