Kampf gegen Plastikmüll

Forscher fordern Verbot von Zigaretten mit Filtern

Viele Zigarettenkippen aufgeraucht am Bordstein auf einem Parkplatz die Filter gelten als grosse
Viele Zigarettenkippen aufgeraucht am Bordstein auf einem Parkplatz die Filter gelten als grosse(c) imago images / Jochen Tack (via www.imago-images.de)
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Zigaretten sind das weltweit am häufigsten weggeworfene Abfallprodukt. Die Annahme, dass Filterzigaretten weniger gesundheitsschädigend seien, sei „ein Märchen“.

Wissenschafter aus London und San Diego fordern im "British Medical Journal", den Verkauf von Filterzigaretten zu verbieten. Sie argumentieren, dass die Filter ohnehin eine "Schummelpackung" seien: eingesetzt, um Tabak zu sparen und die Menschen glauben zu lassen, sie würden das Rauchen weniger schädlich machen.

Sie finden sich auf Gehsteigen, an Stränden, in Gleisbetten und um Wartehäuschen: Zigarettenstummel sind weltweit das am häufigsten weggeworfene Abfallprodukt. Das ist nicht nur problematisch wegen der in den Stummeln enthaltenen Giftstoffe. Die Filter bestehen zudem zum Großteil aus dem nur schwer abbaubaren Kunststoff Celluloseacetat. Milliarden achtlos weggeschnippter Kippen tragen so täglich zum wachsenden Plastikmüllproblem bei.

Tatsächlich war die Erfindung der Filterzigarette in 1950er-Jahren eine Reaktion der Tabakindustrie auf Studien, die belegten, dass Rauchen Lungenkrebs verursacht. Zigaretten mit Filter, so das damalige Werbeversprechen, würden einen Teil des Teers absorbieren und so ein "gesünderes" Rauchen erlauben.

"Wir wissen nun, dass dieses Sicherheitsargument ein Märchen war - eines von vielen, welche die Tabakindustrie erfunden hat, um Zigaretten zu verkaufen", schreiben Thomas Novotny von der San Diego State University und seine Kollegen von der London School of Hygiene & Tropical Medicine in ihrem Leitartikel dazu. Die Filter führen demnach sogar dazu, dass Raucher kräftiger an einer Zigarette ziehen, so dass Karzinogene tiefer ins Lungengewebe inhaliert werden.

Zwei Drittel landen auf dem Boden

Laut einer Studie der Justus-Liebig-Universität Gießen aus dem Jahr 2016 werden von den jährlich 5,6 Billionen gerauchten Zigaretten 4,5 Billionen unsachgemäß entsorgt. 2017 berichtete die Weltgesundheitsorganisation (WHO), dass bis zu zwei Drittel aller Zigarettenstummel auf dem Boden landen. Bei 15 Milliarden verkauften Glimmstängeln mache das zehn Milliarden Stummel - jeden Tag.

Diese bestehen zum Großteil aus Celluloseacetat, einem Kunststoff, der nur sehr langsam biologisch abgebaut wird. So kann es bis zu zehn Jahre dauern, bis sich ein Zigarettenfilter vollständig zersetzt hat. Während Fast-Food-Ketten mittlerweile verstärkt in die Verantwortung genommen würden, weniger Plastikmüll zu produzieren, sei es der Tabaklobby gelungen, "die öffentliche Empörung zu vermeiden", so Novotny und Kollegen. Es müsse ihrer Meinung nach daher nun darum gehen, die Diskussion um die Gefahren des Rauchens mit der über die globale Umweltzerstörung zusammenzubringen.

Verbot von Einwegplastik betrifft Zigaretten nicht

Hier führen die Autoren das Verbot von Einwegplastik an, das die EU ab 2021 für bestimmte Kunststoffgegenstände, darunter Plastikbesteck, Strohhalme und Wattestäbchen, beschlossen hat. "Der Ausschluss von Filtern aus der Kunststoffrichtlinie scheint eine verpasste Chance zu sein", kritisieren die Wissenschafter. Stattdessen heiße es in der Richtlinie nur allgemein, dass die Industrie bei der "Deckung der Kosten für Abfallmanagement und -entsorgung, Datenerfassung sowie Sensibilisierungsmaßnahmen" helfen solle.

Die Gesundheitsforscher schließen ihren Beitrag damit, dass die Tabakepidemie weltweit weiterhin eine führende Ursache für Tod und Krankheit sei. "Und sie wird es wie die Bedrohung durch die globale Erwärmung so lange bleiben, bis die Nationen innovative Interventionen umsetzen." Hier seien mutige Maßnahmen nötig, so das Plädoyer der Autoren, wie eben ein rigoroses Verbot von Filterzigaretten.

"Viele Menschen haben angezweifelt, dass rauchfreie Bars, Pubs oder Flugzeuge einmal möglich wären", betonen sie. Ebenso undenkbar seien die heute vorgeschriebenen drastischen Warnhinweise auf Zigarettenschachteln einst gewesen. Novotny und Kollegen mahnen: "Wenn es uns nicht gelingt, die Billionen Zigarettenstummel, die jährlich zur weltweiten Abfallbelastung beitragen, zu reduzieren, untergraben wir unsere Bemühungen, den weltweiten Plastikmüll einzudämmen, und verpassen die Gelegenheit, die globale Tabakepidemie zu beenden."

Auch E-Zigaretten keine Alternative

Wer glaubt, dass E-Zigaretten eine umweltverträglichere Alternative sein könnten, irrt: Sie produzieren nicht nur Elektroschrott, sondern durch die erforderlichen Kartuschen und Liquid-Flaschen auch Kunststoffmüll. Die WHO schreibt dazu: "Wegwerf-Kartuschen aus Plastik könnten die Zigarettenstummel der Zukunft werden." Genauere Studien über die Entsorgung und zusätzlich entstandene Müllmengen durch E-Zigaretten stehen indes noch aus. (APA/dpa)

(APA/dpa)

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