EU-Austritt

EU macht Weg frei: Es wird keinen Halloween-Brexit geben

Für Pro-Brexit-Demonstranten heißt es: Bitte noch warten.
Für Pro-Brexit-Demonstranten heißt es: Bitte noch warten.(c) AFP (TOLGA AKMEN)
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EU-Ratspräsident Donald Tusk gewährt Grobritannien den bereits dritten Aufschub für den Austritt aus der EU. Im britischen Parlament wird über einen Neuwahlantrag abgestimmt.

Die EU-Staaten haben sich nach Angaben von EU-Ratspräsident Donald Tusk auf einen Brexit-Aufschub bis zum 31. Jänner geeinigt. Die Entscheidung solle in einem schriftlichen Verfahren formalisiert werden, teilte Tusk am Montag im Kurznachrichtendienst Twitter mit. Sollte die Ratifizierung des Austrittsabkommens vorher gelingen, soll der britische EU-Austritt aber auch vor Fristende möglich sein.

Das schriftliche Verfahren, in dem die EU-Staaten der Brexit-Verschiebung mit flexiblen Austrittsmöglichkeiten bis spätestens 31. Jänner zustimmen, soll bis Mittwoch abgeschlossen sein. Starten kann es, nachdem Großbritannien sein formales Ja zur neuen Brexit-Verlängerung gegeben hat. Dann dauert das Verfahren etwa 24 Stunden, hieß es aus EU-Ratskreisen.

Austritt auch zum 1. Dezember möglich

Die EU-Botschafter der 27 verbleibenden EU-Staaten haben den entsprechenden Text vorbereitet. EU-Ratspräsident Donald Tusk verkündete die Verlängerung nach einem Telefonat mit Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron. Dieser war skeptisch bezüglich der Verlängerung bis 31. Jänner, daher wurden die flexiblen Austrittsdaten eingearbeitet. Umstände hätten sich geändert, hieß es zur Begründung am Montag in Kreisen des Élyséepalastes. Inzwischen sei klar, dass es in Großbritannien eine Neuwahl geben werde. Großbritannien könnte nun zum 1. Dezember, 1. Jänner oder eben 31. Jänner austreten, hieß es in Ratskreisen.

Eigentlich sollte am Donnerstag um 24.00 Uhr die EU-Mitgliedschaft der Briten enden. Der als Brexit-Hardliner bekannte Premierminister Boris Johnson wurde jedoch vom Unterhaus gezwungen, in Brüssel eine Verlängerung um drei Monate zu beantragen. Johnson strebt gleichwohl Neuwahlen am 12. Dezember an. Zuletzt hatte er keine Mehrheit im Parlament und musste im Streit um den EU-Austritt Großbritanniens um jede Stimme kämpfen. Die Abgeordneten sollten am Abend nach einer Debatte im Unterhaus abstimmen.

EU-Verhandlungsführer Michel Barnier zeigte sich nach dem Treffen der EU-Botschafter "sehr zufrieden" mit der Entscheidung. Dass ein chaotischer Brexit ohne Abkommen definitiv ausgeschlossen ist, forderte unter anderem die oppositionelle Labour-Partei als Voraussetzung für Gespräche über Neuwahlen.

Neuwahlantrag nur mit Zweidrittelmehrheit

Um eine Neuwahl durchzubekommen, braucht Johnson eine Zwei-Drittel-Mehrheit - und somit die Hilfe der größten Oppositionspartei Labour. Deren Chef Jeremy Corbyn hatte deutlich gemacht, seine Partei werde einer Neuwahl nicht im Wege stehen, sobald ein Brexit ohne Abkommen vom Tisch sei. Er wollte die Entscheidung in Brüssel über die Verlängerung der Brexit-Frist abwarten.

Montagabend, nicht vor 20 Uhr mitteuropäischer Zeit, wird in London im parlament über den Antrag abgestimmt. Sollte der Vorstoß scheitern, will die Regierung Medienberichten zufolge bereits an diesem Dienstag einen weiteren Versuch unternehmen. Das berichtete unter anderem die britische Nachrichtenagentur PA unter Berufung auf Regierungskreise.

Johnson hatte kürzlich auf Druck des britischen Parlaments einen Antrag auf Verlängerung der Austrittsfrist bis Ende Jänner beantragt, obwohl er selbst den Brexit unbedingt am 31. Oktober durchziehen wollte. Als das Unterhaus eine Eil-Ratifizierung des Austrittsvertrags ablehnte, war dieser Zeitplan aber praktisch nicht mehr zu halten.

Neuer britischer EU-Kommissar

EU-Ratschef Donald Tusk empfahl den 27 bleibenden EU-Staaten schließlich, dem britischen Antrag stattzugeben und so einen chaotischen EU-Austritt in dieser Woche zu vermeiden. Für den Fall eines No-Deal-Brexit werden enorme Turbulenzen für die Wirtschaft, Unsicherheit für die Bürger und sogar Versorgungsengpässe befürchtet.

Der britische EU-Austritt war ursprünglich für den 29. März vorgesehen, wurde aber im Frühjahr zweimal verschoben. Eine Hürde beim jetzigen Aufschub ist, dass Großbritannien noch einmal einen Kandidaten für die neue EU-Kommission benennen muss. Das Team um die neue Kommissionschefin Ursula von der Leyen könnte nach jetzigem Stand zum 1. Dezember starten.

(APA/Ag.)

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