Hype

Wie Tojners Varta zum heißesten Börsenwert wurde

(c) Varta
  • Drucken

Die leistungsstarken Mikrobatterien der Schwaben befeuern einen Boom von drahtlosen Minikopfhörern, derzeit eines der beliebtesten Spielzeuge von Elektronikfans weltweit.

In einem kleinen Industriegebiet im schwäbischen Ellwangen warten abbruchreife Werkstatthallen mit vernagelten Fenstern darauf, abgerissen zu werden. Auf den ersten Blick deutet nichts darauf hin, dass hier das an der deutschen Börse derzeit wohl erfolgreichste Unternehmen residiert. Doch die Varta AG aus der süddeutschen Kleinstadt hat einen der besten Börsengänge der letzten Jahre hingelegt: Ihr Marktwert hat sich allein dieses Jahr mehr als verdreifacht. Der Treiber dieses Börsenhypes sind die leistungsstarken Mikrobatterien der Schwaben. Sie befeuern einen Boom von drahtlosen Minikopfhörern, derzeit eines der beliebtesten Spielzeuge von Elektronikfans weltweit.

Dank seiner Knopfzellen wurde Varta zum Weltmarktführer für Hörgerätebatterien - ein Markt, der von der alternden Bevölkerung profitiert. Noch schneller wächst der Markt für hochwertige Kopfhörer, der von den “AirPods” von Apple dominiert wird. Wegen ihrer hohen Leistungsfähigkeit bei geringer Größe setzen die meisten Hersteller auf die wiederaufladbaren Batterien aus Süddeutschland.

Dieser technische Vorsprung sorge dafür, dass Varta mit seinen Batterien für hochwertige Kopfhörer dieses Jahr mehr als doppelt so schnell wachsen werde wie der Gerätemarkt, sagte Varta-Vorstandschef Herbert Schein im Interview Ein rasantes Wachstum, schließlich dürfte schon der Markt für hochwertige Kopfhörer in den nächsten Jahren jährlich um 30 Prozent zulegen, so der Varta-Chef. Die Energiedichte der Zellen - auf selbst entwickelten Maschinen hergestellt - übertrifft die der Konkurrenz aus China und Korea um bis zu 30 Prozent, erklärte der Elektroingenieur, der seit über 25 Jahren für Varta arbeitet.

Produktionskapazität zwei Mal erhöht

Während Varta Samsung, Sony und viele weitere Hersteller als Kunden nennt, vermeidet es Schein, Apple zu erwähnen - die Firma, die den Markt mit rund 60 Prozent anführt. Analysten vermuten aber, dass die bevorstehende Präsentation der neuesten AirPods der Grund dafür ist, dass die Schwaben die geplante Produktionskapazität dieses Jahr bereits zwei Mal erhöht haben, zuletzt auf 150 Mio. Zellen jährlich bis 2022.

„Der massive Kapazitätsausbau ist ein deutlicher Indikator, dass Varta Apple bereits als Kunden gewonnen hat”, so Robert-Jan van der Horst, Analyst bei M.M. Warburg.

Sein Kollege bei der MainFirst Bank, Florian Martin Pfeilschifter, sieht Vartas Produktionskapazität gar als Engpass, der die Hersteller zwingt, Produkteinführungen zu bremsen. Apple allein brauche 120 Mio. Batterien, mehr als Varta im ganzen nächsten Jahr produzieren will, so der Analyst. Deshalb sei davon auszugehen, dass Apple neben dem neuen AirPod mit Varta-Batterien parallel auch das alte Modell mit herkömmlichen zylindrischen Varianten verkaufen wird.

Konkurrenz hinkt hinterher

Zwar sind Vartas Batterien derzeit führend, jedoch fragen sich Experten, wann die Konkurrenz gleichzieht. Nicht so bald, glaubt Vorstandschef Schein. Varta will dieses Jahr die Energiedichte um weitere 20 Prozent erhöhen und hält mit der heute verfügbaren Technologie eine Steigerung um weitere 50 Prozent für möglich. Damit werde die Firma ihren Vorsprung gegenüber der Konkurrenz weiter ausbauen, erklärt der Manager, der seit mehr als 25 Jahren für das Unternehmen arbeitet.

Geschichte ist lang und bewegt. Varta-Batterien waren bei einer der ersten Nordpolexpeditionen dabei, haben in zwei Weltkriegen deutsche U-Boote angetrieben und waren auf dem Mond. Das Unternehmen gehörte neben BMW zum Firmenportfolio der Quandts, bevor es 1977 in die Batteriefirma Varta, eine Elektroniksparte und Altana geteilt wurde.

Börsegang 2017

In den 1990er Jahren bekam Varta Probleme und verkaufte das Industrie- und Autobatteriegeschäft. 2000 kaufte die Deutsche Bank das Unternehmen, spaltete es auf und behielt nur das Mikrobatteriegeschäft, welches sie 2007 an Montana Tech Components verkaufte, eine Holding des österreichischen Unternehmers Michael Tojner. Tojner brachte Varta 2017 wieder an die Börse.

Dieses Jahr erwarb das Unternehmen das europäische Batteriegeschäft von Energizer Holdings Inc, welche die Varta-Markenrechte für Handelsbatterien besaß. Der Rückkauf dieser ehemaligen Schwester dürfte Varta den stabilen Cashflow bescheren, den das Unternehmen für die hohen Investitionen in das boomende Mikrobatteriegeschäft bestens gebrauchen kann.

Varta stellt seine Kopfhöhrerbatterien ausschließlich in Deutschland her - unter anderem, um sein Know-how vor der Konkurrenz zu schützen. Die hochautomatisierte Produktion wirkt dabei den Lohnkosten hierzulande entgegen, so Schein. Vartas Vorsprung resultiere aus Innovationen in der Elektrochemie, der Batterienkonstruktion und der Produktionstechnologie, erklärt der 54-jährige sichtlich stolz, während er durch die Produktionshallen führt, wo Roboter bis zu drei Meter Batteriefolie in die winzigen Gehäuse wickeln, bevor medizinische Injektionsnadeln Batterieflüssigkeit hinzufügen.

Explosives Wachstum

Gemessen am Kursgewinn war der Börsengang von Varta eines der erfolgreichsten deutschen IPOs der letzten zehn Jahre. Zugleich ist die Aktie eine der teuersten, bewertet mit neunmal Buchwert und zwölfmal Umsatz. Mit seinem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 113 ist Varta auf Augenhöhe mit der Bayer AG: Die Leverkusener brauchten jedoch letztes Jahr rechnerisch nur drei Tage, um soviel operativen Gewinn zu erzielen, wie Varta im ganzen Jahr.

Die Analystenerwartungen übertreffen bereits die offizielle Umsatzprognose für dieses Jahr, somit bleibt wenig Spielraum für Fehltritte. Tojner sagte bereits 2017, er erwarte, dass Varta innerhalb von fünf bis zehn Jahren die Umsatzmilliarde erreichen würde. Im Jahr 2018 waren es 272 Mio. Euro.

“Es gibt in Deutschland nur wenige Unternehmen mit einer solchen Chance auf explosives Wachstum über die kommenden 18 Monate,” sagte Commerzbank Analyst Stephan Klepp. “Die Aktie hat sich zwar dieses Jahr bereits verdreifacht, aber das ist erst der Anfang. Wenn man gerade nur einen deutschen Nebenwert halten dürfte, sollte es Varta sein.”

(Bloomberg)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Geld & Finanzen

Batteriekonzern Varta erhöht seinen Ausblick

Aktie schnellt um zeitweise sieben Prozent hoch.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.