Britisches Parlament

Neuwahlen im vierten Anlauf: Boris Johnson hat sein Ziel erreicht

Britain's Prime Minister Boris Johnson and Dominic Cummings, special advisor for Britain's Prime Minister leave Downing Street to head for the Houses of Parliament in London
Britain's Prime Minister Boris Johnson and Dominic Cummings, special advisor for Britain's Prime Minister leave Downing Street to head for the Houses of Parliament in LondonREUTERS
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Der Weg für Neuwahlen ist frei, nachdem Labour-Chef Corbyn seine Partei auf den Wahlkampf einschwor und der Parlamentssprecher manch heikle Anträge nicht zuließ.

Neuwahl oder nicht Neuwahl, das war am Dienstag die Frage im Unterhaus des britischen Parlaments. Und Premierminister Boris Johnson bekam seinen Willen - im vierten Anlauf sicherte er sich eine Mehrheit, sogar eine absolute, die bei der Abstimmung schließlich gar nicht mehr notwendig gewesen wäre. Denn im Ringen um einen Ausweg aus der britischen Brexit-Blockade machte Oppositionschef Jeremy Corbyn den Weg frei. Die Bedingung, dass ein ungeregelter EU-Austritt vom Tisch sein müsse, sei jetzt erfüllt, sagte der Labour-Chef am Dienstag. Er schwor seine Partei auf Wahlkampf ein. Johnson hofft nach Neuwahlen wiederum auf eine klare Mehrheit, um das von ihm mit der EU ausgehandelte Brexit-Abkommen durch das Parlament zu bekommen. Regulär hätte in Großbritannien erst wieder 2022 gewählt werden sollen.

Nur kurz stand der Neuwahl-Plan von Johnson wieder auf der Kippe. Doch der zweite Parlamentssprecher Lindsay Hoyle ließ zwei verhängnisvolle Abänderungsanträge nicht zur Abstimmung zu: jener, der ein Wahlalter ab 16 vorsieht und jener, der in Großbritannien wohnende EU-Bürger zu Wahl zulassen wollte. Am Nachmittag hatte die Regierung gedroht, den Neuwahlantrag zurückzuziehen, sollte einer der beiden Abänderungsanträge die nötige Mehrheit erzielen.

Zur Abstimmung gelangte noch ein Abänderungsantrag, der ein früheres Datum der Wahl vorsieht - Labour und Liberaldemokraten unterstützten das. Doch auch dieser wurde aber abgelehnt. Es wird also am 12. Dezember gewählt. Die Abgeordneten des Unterhauses stimmten mit 438 zu 20 für das Neuwahlgesetz. Das Gesetz wird nun ins House of Lords weitergereicht, die zweite Kammer des britischen Parlaments, wo aber keine weiteren Hindernisse erwartet werden.

Labour in der Zwickmühle

Die Kehrtwende vollzog Labour-Chef Corbyn Dienstagmittag, als er ankündigte, den "ehrgeizigsten und radikalsten Wahlkampf für echte Veränderung zu führen, den unser Land je gesehen hat". Auf Twitter bestätigte der Chef der größten Oppositionspartei in Großbritannien seine Unterstützung für vorgezogene Neuwahlen. Wie uneinig die Partei ist, war wenig später daran zu sehen, dass mehrere Labour-Abgeordnete angekündigt haben, gegen Neuwahlen zu stimmen. Einige enthielten sich der Stimme.

Corbyn hat viel zu verlieren, denn er ist nicht unumstritten in seiner eigenen, sozialdemokratischen Partei. Lange suchte er in den Brexit-Debatten nach dem richtigen Kurs, manchmal eher zustimmend für ein weiteres Referendum, manchmal zurückhaltender - jedoch stets als schärfster Kritiker der Regierung. Die Ausgangslage für Neuwahlen ist für ihn keine einfache, er muss seine Partei zwischen den Brexit-Tories von Premier Boris Johnson und den viel klarer Pro-EU positionierten Liberaldemokraten und Schottischen Nationalisten positionieren. Seine eigene Partei ist in der Frage nicht auf einer Linie.  Die Sozialdemokraten stehen derzeit in den Umfragen relativ schlecht da. Die Traditionspartei versprach sich von einer Neuwahl im kommenden Jahr bessere Chancen.

Anti-Brexit-Parteien für 9. Dezember

Zuvor hatten bereits die Liberaldemokraten und die Schottische Nationalpartei SNP signalisiert, dass sie eine Neuwahl im Dezember unterstützen würden. Sie hatten sich allerdings zunächst für den 9. Dezember als Wahltermin ausgesprochen. Sie wollten damit die Zeit, die Johnson für die Ratifizierung seines Brexit-Deals bleibt, möglichst verkürzen. Außerdem erhoffen sie sich von einer Wahl vor Beginn der vorlesungsfreien Zeit an der Universität mehr Stimmen. Beide Parteien wollen den Brexit verhindern, junge Briten gelten als stärker proeuropäisch als ihre Eltern und Großeltern. Doch sie konnten die Mehrheit der Abgeordneten nicht überzeugen, ihr Antrag auf einen früheren Termin wurde abgelehnt.

Bei einer Abstimmung am Montagabend hatte Johnson noch die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit für vorgezogene Neuwahlen von 434 Stimmen verfehlt. Nur 299 Abgeordnete stimmten für seinen Antrag, 70 stimmten dagegen. Die Labour-Abgeordneten enthielten sich. Vor der vermutlich bald anstehenden Neuwahl hat Johnson außerdem 10 der abtrünnigen 21 Tory-Abgeordneten zurück in seine Fraktion geholt. Sie hatten Anfang September für das Gesetz gestimmt, das einen No-Deal verhindern sollte. Sie haben nun die Chance in ihrem Wahlkreis erneut für die Tories anzutreten.

(APA/AFP/dpa/Reuters/klepa)

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