DNA-Analyse

Die gestohlene Unterwäsche des IS-"Kalifen" al-Baghdadi

Im Norwesten Syriens endete die Flucht des IS-Anführers Abu Bakr al-Baghdadi. US-Bomben machten das Versteck dem Erdbeben gleich.
Im Norwesten Syriens endete die Flucht des IS-Anführers Abu Bakr al-Baghdadi. US-Bomben machten das Versteck dem Erdbeben gleich.APA/AFP/IBRAHIM YASOUF
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Die Überreste des toten Anführers der Terrormiliz wurden auf hoher See bestattet. Kurdische SDF-Einheiten erklären, für die CIA im Umfeld al-Baghdadis spioniert zu haben.

Was wirklich bei der US-Militäraktion in Syrien in der Nacht auf Sonntag passiert ist, wird noch länger geheim bleiben. Der Anführer der Jihadistenmiliz „Islamischer Staat“, Abu Bakr al-Baghdadi, kam dabei ums Leben, laut US-Präsident zündete er in einem Tunnel einen Sprengstoffgürtel. Seine Überreste wurden auf hoher See bestattet, verlautete am Montag aus dem Pentagon. Er sei gemäß den Riten des Islam bestattet worden, hieß es. Am Dienstag wurde außerdem bekannt, dass auch einer von al-Baghdadis möglichen Nachfolgern bei einem US-Militäreinsatz getötet worden sein soll.

Mehrere internationale Medien beschäftigten sich intensiv mit der Frage, wie es dem US-Militär möglich gewesen ist, innerhalb von rund zwei Stunden - so lange hat der Einsatz etwa gedauert - die DNA des Mannes zu bestimmen, der sich in die Luft gesprengt hatte. Der Körper Baghdadis war bei der Explosion der Sprengstoffweste verstümmelt worden. Seine Überreste wurden dann nach Angaben Milleys zunächst für DNA-Tests an einen sicheren Ort gebracht. Die Tests bestätigten, dass es sich um den IS-Anführer handelte.

DNA-Schnelltest, aber wie?

Berichten der „New York Times“ zufolge verfüge das Militär über Geräte in der Größe einer Mikrowelle, die zuverlässige Schnelltests durchführen könnten, wenn es verlässliches DNA-Vergleichsmaterial gebe. Es stellte sich also die Frage, woher die USA mögliches DNA-Material al-Baghdadis hatten. Eine Antwort darauf gibt ein Vertreter der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), die von den Kurden dominiert sind. Al-Baghdadi sei an Hand seiner Unterwäsche identifiziert worden. Ein Geheimagent der SDF habe die Unterwäsche vor dem US-Einsatz entwendet, erklärt Polat Can, ein ranghoher Vertreter der Kurden am Montag auf Twitter.

Demnach arbeiteten die SDF seit Mitte Mai mit dem US-Geheimdienst CIA zusammen, um al-Bagdadi aufzuspüren und zu überwachen. Der IS-Chef habe seinen Aufenthaltsort sehr oft gewechselt, schrieb Can. Dem SDF-Agenten sei es gelungen, mit al-Bagdadi in Kontakt zu treten und seine Unterwäsche für einen DNA-Test zu entwenden, "um sicherzugehen, dass die betreffende Person al-Baghdadi selbst war".

Dass es zu dem US-Einsatz in Syrien gekommen sei, sei größtenteils das Ergebnis der SDF-Geheimdienstarbeit, schrieb Can auf Twitter. Die Anfang Oktober eingeleitete türkische Offensive in Nordsyrien habe die Operation verzögert. Die Informationen des SDF zu verifizieren ist - ohne Bestätigung durch die USA - allerdings schwer möglich.

USA sehen Kriegsrecht eingehalten

Der IS-Chef hatte sich in der Nacht auf Sonntag bei einem US-Militärangriff auf sein Versteck in Nordwestsyrien durch Zünden einer Sprengstoffweste selber getötet. Der Generalstabschef der US-Streitkräfte, Mark Milley, sagte bei einer Pressekonferenz, die "Beseitigung" von Baghdadis Überresten sei "angemessen" gemäß der militärischen Prozeduren und des Kriegsrechts gehandhabt worden und abgeschlossen. Seine Bestattung erinnert an jene von Osama bin Laden: Auch die Überreste des 2011 bei einem US-Militäreinsatz in Pakistan getöteten Chefs des al-Qaida-Terrornetzwerks waren im Meer beigesetzt worden.

Baghdadi war während des Angriffs in einen Tunnel ohne Ausgang geflüchtet, wo er sich in die Luft sprengte. US-Präsident Donald Trump sagte, der IS-Chef sei "wimmernd und weinend und schreiend" davongerannt. Diese Angaben konnte Milley jedoch nicht bestätigen.

Er wisse nicht, woher der Präsident diese Information habe, sagte der Generalstabschef. Er äußerte jedoch die Vermutung, dass Trump dies im direkten Gespräch mit an dem Einsatz beteiligten Soldaten gehört habe. Der Präsident hatte den Einsatz vom "Situation Room" im Weißen Haus aus live über eine Videoschaltung verfolgt. Laut Medienberichten soll die Übertragung jedoch ohne Ton gewesen sein.

Trump erwägt Veröffentlichung von Video

Trump sagte am Montag, dass er vielleicht Teile des Videos veröffentlichen lassen werde. Nach Angaben Milleys lief aber noch eine Prüfung der Aufnahmen durch das Militär. Dabei ging es darum, welche Segmente möglicherweise veröffentlicht werden können, ohne sensible Informationen über den Einsatz preiszugeben.

Bei dem Angriff der US-Elitesoldaten auf Baghdadis Versteck nahe der Ortschaft Barisha wurden laut Milley zwei Männer festgenommen. Zu ihrer Identität machte der Generalstabschef aber keine Angaben. Sie befänden sich unter US-Aufsicht in einer abgesicherten Anlage.

Trump hatte bereits am Sonntag mitgeteilt, dass es bei dem Einsatz zu Festnahmen gekommen sei. Angaben zur Zahl der Festnahmen hatte Trump jedoch nicht gemacht. Dem US-Präsidenten zufolge wurde zudem eine "große Zahl" von IS-Kämpfern bei dem Angriff getötet. Nähere Angaben dazu machte das Pentagon am Montag jedoch nicht.

(APA/AFP/Reuters/Red.)

(APA/AFP/Reuters/Red.)

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