Innovation

Blockchain trifft Briefmarke

Die erste Kryptobriefmarke der Welt.
Die erste Kryptobriefmarke der Welt.(c) Wolfgang Stecher
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Am 11. Juni brachte die Österreichische Post die erste Kryptobriefmarke der Welt auf den Markt. Sie erreichte ein neues Publikum, brachte aber auch spekulative Tauschgeschäfte.

Sven Venzke-Caprarese hat sich nie sonderlich für Briefmarken interessiert. Den kleinen Bildchen haftete ein verstaubter, altmodischer Ruf an. Wenig spannend für den technikaffinen deutschen Datenschutzberater und Rechtsanwalt. Im Juni änderte sich seine Einstellung aber: Die Österreichische Post AG verband Philatelie mit Blockchaintechnologie und brachte die erste Kryptobriefmarke der Welt auf den Markt (siehe Foto).

Jeder physischen Cryptostamp wird in der zweitwichtigsten Blockchain, Ethereum, ein sogenannter Token zugeordnet. Er ist quasi das digitale Äquivalent für die Einhorn-Marke. Kryptomarken konnten am Postschalter oder im Post-Onlineshop gekauft werden. Ähnlich wie bei Rubbellosen waren unter zwei Feldern QR-Codes versteckt. Mit den Codes kann man ein sogenanntes Wallet – also eine digitale Geldbörse – eröffnen und den Token darin lagern. Nach nicht einmal einem Monat waren die knapp 150.000 Marken über den traditionellen Weg ausverkauft.

Venzke-Caprarese kaufte seine Cryptostamp nicht im Post-Onlineshop oder am Postschalter. Der IT-Experte nutzte die Blockchain-Technologie, um die digitale Briefmarke zu erwerben. Er bezahlte die Kryptomarke im sogenannten Onchainshop mit der Kryptowährung Ether. Das physische Äquivalent der Onlinemarke hat er sich nicht zuschicken lassen. Das sei für ihn nicht so wichtig. Für ihn zählt rein der digitale Token in seiner Blockchain-Geldbörse.

Spekulation mit Cryptostamps

Im Gegensatz zum klassischen Verkaufsweg kostete die Briefmarke im Onchainshop nicht notwendigerweise den von der Post veranschlagten Norminalpreis von 6,90 Euro. Ab der 401. im Onchainshop verkauften Marke stieg der Preis pro weiterer verkaufter Marke um mehrere Prozent.

Auch abseits der offiziellen Verkaufswege schossen die Preise in die Höhe. Auf eBay werden die Marken derzeit um bis zu 15.000 Euro angeboten. Ein Anstieg auf das mehr als 2000-Fache des Ursprungswerts. Die starke Wertsteigerung lässt sich auf das Konzept hinter den Cryptostamps zurückführen. Physisch unterscheiden sich die Marken nicht. Den digitalen Zwillingen sind aber fünf Farben in verschiedenen Häufigkeiten hinterlegt. Diese werden durch den per Rubbelfenster versteckten QR-Code sichtbar.

Die Farbe, der Code

Die häufigste Farbe ist Schwarz. Mit 78.500 machen die „Gruftis“ unter Crpyotmarken 52,3 Prozent der Gesamtauflage aus. Auf eBay werden sie schon um zwei Euro angeboten. Von den roten Marken hingegen gibt es nur 1500 Stück. Das entspricht einem Prozent aller Cryptostamps. Die Roten kosten auf dem privaten Markt mehrere Tausend Euro.

Zur Farbe kommt noch ein weiterer Wertindikator hinzu: der aufgedruckte Code. Es gibt sechsstellige, fünfstellige und vierstellige Codes. Je kürzer die Zeichenfolge, desto seltener und damit wertvoller die Marke. So bieten Händler schwarze Marken mit vierstelligem Code online um 400 Euro an. Am teuersten sind rote Briefmarken mit vierstelligem Code. Mit ihnen erreicht man Spitzenpreise von mehreren Tausend Euro.

Um eine begehrte rote Marke zu erhaschen, schoben manche Sammler ihre Skrupel beiseite. Einige Philatelisten durchschauten das System hinter den Rubbelflächen. Sie erkannten die Farbe der Marke, ohne den QR-Code freizurubbeln. Die Schummler ließen sich einige unterschiedliche Marken am Schalter vorzeigen, analysierten sie in aller Ruhe und kauften schließlich nur die seltenen Farben. „Überall, wo Menschen arbeiten, passieren Fehler“, sagt der Präsident des Verbands Österreichischer Philatelistenvereine, Helmut Kogler. Er sieht bei der Verpackung der Cryptostamps noch einiges an Verbesserungspotenzial.

Der PR-Plan rund um die Kryptobriefmarken ist für die Österreichische Post mehr als nur aufgegangen. Das Unternehmen wollte mit der Cryptostamp neue Zielgruppen ansprechen und die Philatelie attraktiver für jüngere Semester machen. Mit einem derart großen medialen Widerhall und dem ungebrochen starken Ansturm auf die Kryptomarken hat man aber nicht gerechnet.

„Wir waren überrascht, dass die Preise auf dem privaten Markt so stark gestiegen sind. Das ist sehr erfreulich“, erklärt Gerlinde Scholler, Leiterin des Produktmanagements Philatelie bei der Post. Nicht bei jedem kamen die Kryptomarken gleich gut an. Gerade traditionelle Sammler konnten im Vergleich zum jüngeren Publikum wenig mit den digitalen Doppelgängern anfangen. „Viele Sammler sind schon in einem gehobenen Alter. Das Publikum ist eher konservativ und skeptisch gegenüber Neuem. Es gibt einige, die den Mehrwert von Cryptostamps nicht erkennen“, gibt Kogler zu bedenken.

Treffen zweier Welten

Die jüngere, technikaffine Zielgruppe erkennt in den Marken einen sehr großen Mehrwert. „Durch die Verbindung von Blockchain und Briefmarken treffen zwei Welten aufeinander. Die Techniker kommen mit den Briefmarken in Kontakt und die Philatelisten mit der Blockchain. Dadurch ist auf beiden Seiten Interesse entstanden“, sagt Venzke-Caprarese. Außerdem freut es den Datenschutzberater, über die Philatelie neue Kontakte geknüpft zu haben. Die Cryptostamp wird wohl nicht seine letzte Briefmarke bleiben.

INFO

Blockchain: Die Blockchain-Technologie funktioniert dezentral. Alle Nutzer arbeiten mit einer gemeinsamen Datenbasis, der Blockchain eben.

Dadurch werden anonyme Transaktionen möglich, die durch die Dokumentation in der Blockchain allesamt transparent sind.

Ethereum: Das Ethereum-System, mit dem bei der Kryptomarke gearbeitet wurde, verwendet die interne Kryptowährung Ether.

Nach Bitcoin ist diese die Kryptowährung mit der zweitgrößten Marktkapitalisierung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2019)

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