Darf ein Poptexter heute noch über „Playboy centerfolds“ und „Penthouse pets“ singen? Greg Gonzalez von der US-Band Cigarettes After Sex tut es – mit sanfter Stimme, zu kunstvoll verzitterter Musik.
Wahrscheinlich rettet ihn nur seine androgyne Stimme vor der Wut von Radikalfeministinnen: Greg Gonzalez, Sänger von Cigarettes After Sex, legt mit „Cry“ eine Liedersammlung vor, die unerschrocken die Lust auf Sex auf eine Art behandelt, die in korrekten Zeiten anstößig wirken muss. In „Hentai“ etwa (das Wort bezeichnet pornografische Zeichentrickfilme im kitschigen Mangastil) erzählt er zu seufzenden Gitarren und Zeitlupenbeats einer Frau, mit der er soeben zum ersten Mal geschlafen hat, über einen solchen Film, in dem sich ein Mädchen nach dem Sex als Weissagerin herausstellt . . .
In „You're The Only Good Thing in My Life“ treibt er es verbal noch bunter: „You only fuck for love, told me you could never get enough, posing as a Playboy centerfold, you could be my Penthouse Pet, I know.“ In den Siebzigerjahren war es gang und gäbe, sexuellen Appetit so unverblümt zu äußern. Serge Gainsbourg etwa war Weltmeister, wenn es darum ging, reale Frauen in erotische Fantasien zu verwandeln. Der aktuelle Zeitgeist diktiert anderes. Dennoch werden Cigarettes After Sex mit diesem Konzeptalbum männlicher Lustfantasien wohl sehr erfolgreich sein. Zum einen liegt das natürlich an den unfassbar schönen Melodien, zum anderen an der schon erwähnten androgynen Art, in der Gonzalez singt. Mit ihr können sich auch Frauen identifizieren. In seiner Zartheit erinnert sie daran, wie Julee Cruise zu Angelo Badalementis Musik für „Twin Peaks“ gesungen hat. So schwelgerisch, so verträumt, so romantisch und doch so doppelbödig, dass man meinen könnte, das Konzept von Cigarettes After Sex sei tatsächlich von David Lynch ersonnen.