Gastkommentar

Trump-Gegner sind Teil des heutigen USA-Desasters

„Normale“ Verhältnisse vor 2016 haben Trump ins Weiße Haus gebracht.

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

>>> Mehr aus der Rubrik „Gastkommentare“

Das von den US-Demokraten angestrebte Amtsenthebungsverfahren (Impeachment) gegen Präsident Donald Trump ist der Versuch, jene politischen Verhältnisse wiederherzustellen, die bis 2016 in den Vereinigten Staaten geherrscht hatten. Die Aussichten auf Erfolg eines Impeachment sind dabei gering, der Nutzen unabsehbar. Dennoch ist angesichts der Ukraine-Affäre der Enthusiasmus über ein mögliches Verfahren groß.

Zweifellos ist Trump ein unwürdiger und unfähiger Präsident. Seine Gegner wähnen sich ihm daher in Moral und Kompetenz überlegen. Für sie hat Trump die Präsidentschaft einfach nicht verdient.

Was die Betreiber eines Amtsenthebungsverfahrens aber tatsächlich verfolgen, ist weniger die Ablöse des Präsidenten. Vielmehr sollen die „normalen“ Verhältnisse der Ära vor Trump wiederhergestellt werden. Aber gerade solche „normalen“ Verhältnisse haben Trump ins Weiße Haus geholfen. „In Gefahr und großer Not bringt der Mittelweg den Tod“, meinte der deutsche Dichter Friedrich von Logau. Ja, vielleicht. Tatsächlich aber hat das politische Establishment der USA in den vergangenen Jahrzehnten Politik jenseits von links und rechts betrieben. Das dadurch entstandene Vakuum wurde gefüllt von populistischen und nationalistischen Bewegungen.

Überheblicher Mainstream

Die Nichtpolitik des Zentrums hat Trump und seine „America First“- Strategie erst ermöglicht. Die technokratische Politik des Mittelweges, wie auch des „Dritten Weges“ in Europa, versprach eine Politik ohne Konflikte: Politik als bloße Verwaltungsfunktion – angeblich zum Wohle aller, aber blind für die Anliegen der Menschen.

Fragen nach dem Zweck von Politik, nach sozialer und ökonomischer Gerechtigkeit und Mitgestaltung, wurden ausgeblendet. Populisten wie Trump profitieren von der Überheblichkeit des Mainstream und dessen politischen Versäumnissen. Niemand wurde für die Folgen der Weltfinanzkrise und der wachsenden Ungleichheit innerhalb der US-Gesellschaft verantwortlich gemacht. Moralische Elitendiskurse über Gleichberechtigung und Identitätspolitik wurden stattdessen zum Ersatz für eine seriöse Politik, die Konflikte austrägt und sozioökonomischer Ungleichheit entgegensteuert.

Versunken in endlosen Kriegen

Auch für die Folgen der zahlreichen militärischen Abenteuer wurde niemand zur Verantwortung gezogen. Im Gegenteil: Die USA verwickelten sich immer mehr und immer tiefer in endlose Kriege.

Auch wenn die Mitgestalter früherer Regierungen heute Fehler eingestehen, die Lehren daraus haben die Vertreter des „America First“ gezogen. Deren politischer Erfolg besteht weder darin, das Land zu vereinen, noch darin, Kriege zu beenden. Sie besteht darin, die Legitimität der alten, mit sich selbst beschäftigten politischen Elite infrage zu stellen.

Mittels des Amtsenthebungsverfahrens will die entmachtete politische Mittelklasse zurück zur „Normalität“. Angesichts der fatalen Folgen ihrer Politik mögen pragmatische Idealisten der Regierungen von Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama heute eingestehen, dass die „Welt ist, wie sie ist“. Dennoch träumen sie von einer Restauration der Verhältnisse vor Trump, um weitermachen zu können wie früher.

Wie üblich bezeichnet Trump das angestrebte Impeachment als „Hexenjagd“. Egal, welches Ergebnis das Amtsenthebungsverfahren und die Präsidentschaftswahl 2020 bringen werden, die US-Gesellschaft wird weiter gespalten. Jene, die sich am lautesten über Trump beklagen, verstehen nicht, dass sie ein Teil des Problems sind, das zur jetzigen US-Regierung geführt hat.

Jodok Troy (*1982 in Bregenz) ist Politikwissenschaftler an der Universität Innsbruck.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.