Risse bei Republikanern

Patriotismus und der „Deep State“

Donald Trump stachelte mit seiner Rhetorik Anhänger auf, die Verschwörungstheorien in Umlauf bringen. Manche Republikaner sind beschämt.

Wien/Washington. Viel amerikanischer geht es kaum mehr. „Ich bin ein Patriot, und es ist meine heilige Pflicht und Ehre, unser Land vorwärtszubringen und zu verteidigen, ungeachtet von Parteipolitik.“ Aus Alexander Vindman sprach bei der Anhörung im Kongress der zuweilen übersteigerte Nationalstolz und das Pathos eines Immigranten, der es via Harvard-Studium und einer Militärkarriere als Direktor der Europaabteilung des Nationalen Sicherheitsrats in den Westflügel des Weißen Hauses gebracht hat – ebenso wie sein Zwillingsbruder Eugene (eigentlich Jewgenij), ein Anwalt.

An Vindmans Uniform prangte das Purple Heart, das Ehrenabzeichen der US-Streitkräfte, das er wegen einer Verwundung bei einem Bombenanschlag im Irak-Krieg erhielt. Der 43-Jährige, der als Dreijähriger nach dem Tod seiner Mutter mit Vater Semyon und seinen beiden Brüdern 1979 aus Kiew in der damaligen Sowjetunion nach New York ausgewandert war, betonte in dem stundenlangen Hearing die Werte, die Ideale und die Freiheitsvision der US-Nation. Aufgewachsen ist er im Viertel Brighton Beach, das unter New Yorkern wegen der jüdischen Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion auch als „Little Odessa“ firmiert.

Charakter-Angriff

Dass Vindman fließend Ukrainisch und Russisch spricht, dass er in den US-Botschaften in Kiew und Moskau stationiert war, ist für viele Trump-Anhänger und den Präsidenten selbst ein Indiz, dass der Offizier womöglich noch Loyalität gegenüber seiner alten Heimat hegt und die Regierung in Kiew berät. So insinuierten sie es in Talk-Shows – insbesondere auf Trumps Lieblingssender Fox News. Die Justiz kennt dafür einen Terminus: Charakter-Angriff.

Donald Trump stellte überhaupt in Zweifel, dass Vindman bei seinem Telefonat mit Wolodymyr Selenskij, dem ukrainischen Präsidenten, anwesend gewesen sei. Auf Twitter beschuldigte er ihn, ein „Never Trumper“ zu sein – ein Gegner innerhalb der Regierung und Teil des „Deep State“, des Establishments, das sich gegen ihn verschworen hat, um ihn aus dem Präsidentenamt zu drängen.

Mit seiner Rhetorik und Vokabeln wie „Hexenjagd“, „Lynchmord“ oder „menschlicher Abschaum“ schürt Trump die Polarisierung. So stachelt er Anhänger auf, die Identität des Whistleblowers zu enthüllen, der die Ukraine-Affäre ins Rollen gebracht hat. Längst zirkulieren Verschwörungstheorien, und nach Vindmans Aussage raunten Trump-Parteigänger sogar von Spionage.

Manchen republikanischen Abgeordneten geht das zu weit. Liz Cheney, die Tochter des Ex-Vizepräsidenten Dick Cheney, rief angesichts der Attacken gegen den hochdekorierten Militärveteranen zur Räson. „Es ist beschämend, den Patriotismus und die Liebe zur Nation in Frage zu stellen.“ Auf Distanz gingen auch die Senatoren Mitt Romney und John Thune, die sich als Trump-Kritiker profilieren. In der Grand Old Party wachsen die internen Spannungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2019)

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