Musikverein

Schönberg kann noch immer provozieren

Bei den „Sechs kleinen Klavierstücken“ zur Zugabe leerte sich der Saal schnell. Davor begeisterte Elisabeth Leonskaja mit Stücken von Chopin, Schumann (wild!) und Jörg Widmann.

Das alte Sprichwort bewahrheitet sich immer wieder: Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht. Zynisch gefragt: Warum sollte ein Wiener Publikum auch Schönberg kennen? Elisabeth Leonskaja hatte nach einem bravourös gesteigerten Schumann-Finale die charmante Chuzpe, den Applaus mit Schönbergs „Sechs kleinen Klavierstücken“ zu belohnen – ohne Ansage. Der Musikvereins-Saal leerte sich im Nu. Herrlich: Der einstige Bürgerschreck Schönberg provoziert immer noch. Die radikale Reduktion musikalischer Mittel verschreckt eben, wenn sich auch noch soviel Spannung zwischen den Tönen und Aufregung zwischen den Akkorden aufbaut wie in Leonskajas Interpretation. Und das mit einer Tonqualität, die ihresgleichen sucht.

Banaler kann ein Satz nicht klingen: Der Ton macht die Musik. Und doch stecken im Idealfall Techniken und Geheimnisse der Tonproduktion dahinter, die schlussendlich auch die Unverwechselbarkeit großer Pianisten ausmachen. Die klingenden Piani eines Horowitz, die Virtuosität eines Shura Cherkassky, der poetische Intellekt eines Svjatoslav Richter, Leonskajas grandiosem Mentor. Er spielte mit Verrenkungen, als müsste er den Klang aus dem Körper heraus modellieren. Leonskaja macht den Eindruck, ihre Formulierungen kämen aus der Schulter, seien so geerdet wie facettenreich – im krassen Gegensatz zu heutigen jungen Pianisten (vor allem aus Fernost), die mit dem Unterarm derart hineinfetzen, als müssten sie auf dem Tennisplatz ein Ass servieren.

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