Interview

Jürgen Mandl: Bildungsoffensive gegen Fachkräftemangel

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Wirtschaftskammer-Kärnten-Präsident Jürgen Mandl fordert Steuersenkungen für die Unternehmer sowie die Modernisierung und Digitalisierung der Berufsausbildung. Im Export sieht er noch große Chancen.

Herr Präsident, auf die Mühen des Gebirges − den Nationalratswahlkampf − folgen die Mühen der Ebene, nämlich Sondierungen und Koalitionsverhandlungen, könnte man frei nach Bert Brecht formulieren. Was erwartet die Kärntner Wirtschaft von der Politik?

Jürgen Mandl: Die Wirtschaft wünscht sich jedenfalls, dass die Politik ihre Arbeit möglichst rasch wieder aufnimmt. Immerhin ist jetzt fast ein halbes Jahr vergangen, in dem keine wichtigen Weichenstellungen in Österreich erfolgt sind. Was mich besonders stört, ist der Umstand, dass das Thema Wirtschaft weder im Nationalratswahlkampf noch im Rahmen der Parteiengespräche danach eine Rolle gespielt hat. Das muss sich ändern, denn eines ist klar: Die Wirtschaft ist nicht alles im Leben, aber Grundlage für alles.

Wo sehen Sie die aktuell größten Herausforderungen für die Unternehmen?

Vor der Wahl sind uns noch einige spürbare Erfolge vor allem für die kleineren Unternehmen gelungen, wie die steuerliche Absetzbarkeit geringwertiger Wirtschaftsgüter bis zu 800 Euro oder Anhebung der Umsatzgrenze für Kleinunternehmer auf 35.000 Euro samt der Möglichkeit der Steuerpauschalierung. Angesichts der abflauenden Konjunktur geht es jetzt darum, auch größere Unternehmen zu entlasten. Dazu brauchte es, wie in der bereits geplanten Steuerreform angekündigt, eine Senkung der Lohn- und Einkommensteuer – „mehr netto vom Brutto für alle“ –, aber auch eine Senkung der KöSt und der Lohnnebenkosten. Die Berufsausbildung muss modernisiert werden − Stichwort „Digitalisierung der Lehre“ −, und der Bürokratieabbau muss weitergehen, zum Beispiel durch die konsequente Vermeidung von Gold Plating und ein modernes Betriebsanlagenrecht.

Wie soll das umgesetzt werden?

Indem sich rasch eine neue Bundesregierung zusammenfindet, die versteht, dass Unternehmer und ihre Mitarbeiter zuerst das Geld verdienen müssen, bevor der Staat es ausgibt. Was passiert, wenn man es lang genug andersherum versucht, kann man in einigen Ländern Europas eindrucksvoll beobachten.

Was tut die Wirtschaftskammer dafür?

Wir haben schon im Wahlkampf intensiv auf die Entlastung der Betriebe hingearbeitet. In der jetzigen Phase starten wir eine der größten Kampagnen zur Schaffung von Bewusstsein für die Bedeutung der Wirtschaft, die wir je gemacht haben: #schaffenwir richtet sich an alle, die was unternehmen, und bietet realen Unternehmern und ihrer Schaffensgeschichte eine Bühne in Videos, Inseraten, auf Plakaten und Social Media. Das ist natürlich auch eine klare Botschaft an die Politik. #schaffenwir zeigt auf, wie wichtig Wirtschaft ist und wie entscheidend es ist, dass die Politik unsere Vorschläge umsetzt. Denn Wirtschaft, das sind wir alle.


Doch immer mehr Betriebe klagen über Fachkräftemangel und können Aufträge nicht oder nur mit Verzögerungen erledigen.

Das ist eine der entscheidenden Zukunftsfragen. Schon im vergangenen Jahr hat eine Wirtschaftskammer-Umfrage bei unseren Mitgliedsbetrieben ergeben, dass in Österreich mehr als 160.000 Fachkräfte fehlen. Für fast 90 Prozent der Betriebe ist der Fachkräftemangel bereits spürbar, für drei Viertel stark. Dagegen hilft nur eine Bildungsoffensive, wie sie die WK vorschlägt und unser Präsident, Harald Mahrer, seit Monaten predigt: Neue, digitalisierte Lehrberufe, also der Schritt von der dualen zur trialen Ausbildung, mehr Studienplätze in MINT-Fächern. Aber auch die Wirtschaftskammer selbst geht da als größter privater Bildungsanbieter des Landes mit gutem Beispiel voran: Wir investieren schon heute 380 Millionen Euro pro Jahr in Bildung und Ausbildung, in zehn Jahren werden es 500 Millionen sein.

Die Konjunktur stottert. Bedeutet das auch für Kärnten schlechte Zeiten?

Die Wirtschaft in Kärnten hat sich in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich gut entwickelt und sich von manchen Standortsünden der Vergangenheit erholt. Unsere Exportwirtschaft hat sich sehr breit aufgestellt: Deutschland ist traditionell immer noch unser Hauptexportmarkt, aber die USA sind auf Platz zwei, China auf Platz fünf. Auf der einen Seite Kärntens wird der Koralmtunnel dafür sorgen, dass die beiden Wirtschaftsräume Graz und Klagenfurt näher aneinander rücken. Auf der anderen Seite eröffnet die neue chinesische Seidenstraße bis nach Triest ungeahnte Möglichkeiten für den Logistik- und Lebensstandort Kärnten. Ich erwarte also keine schlechten Zeiten für Kärnten; wenn jetzt die richtigen Entscheidungen getroffen werden, auf Bundesebene wie in Kärnten, dann kann unser „Stern des Südens“ aufgehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2019)


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