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Gedenken

Beim Besuch im Konzentrationslager dachte ich an jene Menschen, die Gedenkorte habituell ­meiden.
Beim Besuch im Konzentrationslager dachte ich an jene Menschen, die Gedenkorte habituell ­meiden. (c) Beigestellt
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Kickl und Weinheber im Kopf, fuhr ich plötzlich nach Mauthausen und wusste selbst nicht, wieso.

In einem grellen Sommertag durchquerte ich Niederösterreich auf der Westautobahn, allein, leicht und fröhlich – bis ich eine mir bisher unbekannte Brücke unterquerte, die zu meiner Verblüffung als „Josef-Weinheber-Brücke" beschriftet war.

Nun ist Weinhebers dialektale Lyrik ja teilweise geistreich, seine klassischen Reime haben hingegen Patina und Staub aufgenommen. All das wird jedoch überschattet vom Antisemitismus und der NS-Begeisterung des Dichters. Nach ausgiebigen Klagen über die „jüdische Unterwanderung des Kulturbetriebs" schaffte er es letztlich doch ganz nach oben, erhielt 1941 den Grillparzerpreis und wurde gar auf die „Gottbegnadetenliste" (u. a. Befreiung von der Wehrmacht) gesetzt.

Der widersprüchliche Dichter, der privat mit seinem politischen Engagement haderte, ohne es zu korrigieren, schrieb Zeilen wie „Führer, heilig und stark/ Führer, wir grüßen dich" oder eine „Ode an die Straßen Adolf Hitlers". Wieso nur pflegen wir im Jahr 2019 auf Österreichs Straßen gerade ein solches Andenken durch einen Brückennamen? Vielleicht hatte ich Weinheber im Kopf, als ich kurz darauf, einem plötzlichen Impuls folgend, die Ausfahrt zur KZ-Gedenkstätte Mauthausen nahm. Vielleicht lag es auch an einem TV-Interview mit dem frisch entlassenen Ex-Innenminister Kickl, das ich am Vortag gesehen hatte.

Im Konzentrationslager sah ich die Häftlingsbaracken, den Hinrichtungsraum, die Gaskammer und die „Todesstiege". Ich überlegte mir, wie wenig diesem Kickl, und sicherlich auch diesem Weinheber, so er noch lebendig wäre, ein Besuch in Mauthausen schaden würde. Mit starrem Gesicht betrachtete ich den Seziertisch, den Kickl und Weinheber nie mehr sehen würden. Bei Letzterem konnte ich trotz des von ihm abgesonderten NS-Gifts gut zwischen Werk und Person differenzieren, und das soll man bekanntlich. Bei Vorletzterem, der ja ebenfalls („daham/Islam") ordentlich gereimt hatte, war das deutlich schwieriger. Kickl hatte am Vortag extrem abstoßend auf mich gewirkt, doch ich musste zugeben, bei ihm passte alles zusammen, diesem Unkünstler fehlten total die Widersprüche.

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