Friedhofsarchitektur

"Der Tod ist etwas Elementares"

Die Kovatur der Aussegnungshalle wurde beibehalten, von Florian Ketter jedoch behindertengerecht umgebaut.
Die Kovatur der Aussegnungshalle wurde beibehalten, von Florian Ketter jedoch behindertengerecht umgebaut. Mag. Arch. P. Reischer
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Florian Ketter, Erbauer des Friedhofs Wels, über neue Formen des Trauerns und Friedhofsarchitektur im Zeitalter der Digitalisierung

Herr Ketter, mit Ihrem Friedhof Wels stießen Sie im Jahr 2010 auf Kritik. Dabei haben Sie nicht viel verändert?
Ich finde bei der Gestaltung von Räumen, die dem Gedenken gewidmet sind, muss man vorsichtig mit der Metaphorik des Themas umgehen. Das Hinübergehen, die Abgrenzung zwischen Leben und Tod, wollte ich behutsam aufladen. Trotzdem wurde der Friedhof damals als zu „modern“ empfunden.

Ist architektonische Zurückhaltung mittlerweile nicht ohnehin die Norm?
Den Eindruck habe ich nicht. Ich finde: Es ist bereits genug gebaut, vielleicht sogar zu viel. Das Gebot der Stunde muss lauten: Alles was da ist, müssen wir umnutzen.

Steht das nicht im Widerspruch zur heutigen Individualisierung der Gesellschaft? Zu immer größerem, eindrucksvollerem Bauen?
Ja, vielleicht. Ich denke aber, in einer emotionalen Ausnahmesituation, wenn man jemanden verloren hat und trauert, braucht man kein abgefahrenes Design, über dessen Bedeutung man rätselt, sondern einen Ort stiller und sicherer Begleitung.

Ein Gegenentwurf zu modernen Gebäuden?
Ja, das kann man durchaus so formulieren. Gedenkstätten, egal ob eine Aussegnungshalle oder ein Friedhof, müssen Räume und Orte der Ruhe sein, an denen man die Trauernden mit einfachen architektonischen Mitteln unterstützt.

Lärm- und schallgeschützt: Die Fassade aus Holz mit hineingefrästen Symbolen sorgt für Lichteinfall. Ohne, dass Trauernde von vorbeifahrenden Autos gestört werden.
Lärm- und schallgeschützt: Die Fassade aus Holz mit hineingefrästen Symbolen sorgt für Lichteinfall. Ohne, dass Trauernde von vorbeifahrenden Autos gestört werden.Mag. Arch. P. Reischer

Eine Renaissance der Friedhofsmauer also.
In diesem Sinne ja. Die Friedhofsmauer diente früher schon der Abschirmung und sollte Schutz bieten vor Dieben, Grabschändern oder Tieren. Heute muss der Friedhof nicht mit einem Sicherheitszaun umgeben sein. Er sollte aber dennoch ein Zeichen dafür sein, dass hier ein besonderer Ort ist.

Inwiefern?
Ein Friedhof ist ein Ort der Einkehr. Die Abstraktion des Zaunes, wie ich ihn in Wels versucht habe, sollte zeigen: Da ist eine andere Welt. Ein Ort, an dem wir alle mal sein werden, aber noch nicht sind.

Gedenken wir den Toten heute anders als früher?
Ich glaube im Wesentlichen ist der Tod ein Thema vor dem auch die Digitalisierung mit der ihr eigenen Entmaterialisierung Halt macht. Was ist der Tod? Was passiert wenn wir sterben? Diese Fragen stellen wir uns heute genauso wie im alten Ägypten oder Rom. Wir haben noch immer keine Chance, hier empirische Forschung zu betreiben. Der Tod bleibt ein unbekanntes Abenteuer.

Trotzdem, die Zahl der Urnenbestattung nimmt zu, Menschen neigen dazu, ihre Wohnorte zu wechseln, das Trauern verlagert sich vom analogen in den virtuellen Raum. 
Das stimmt, die Anzahl der Urnengräber ist sicherlich Indiz dafür, dass sich die Menschen geistig vom Körper lösen. Zumindest was die Vorstellung von Tod betrifft. Trotzdem denke ich dass ein Friedhof als Ort bestehen soll. Ich glaube nicht, dass das Internet unsere tiefen Instinkte befriedigen kann. Vielleicht können wir unser schlechtes Geweissen gegen das Vergessen beruhigen, indem wir Bilder ansehen, Sprachaufnahmen anhören. Aber der Tod ist etwas Elementares, das so nicht in den Griff zu kriegen ist.

Braucht es in der Friedhofsarchitektur eine Rückkehr zu alten Tugenden?
Ich halte es hier gerne wie Friedensreich Hundertwasser und sein „Homo Humus“. Wenn man sich als im Kreislauf befindlich begreift, ist es schwer überheblich zu sein. Das sollte sich meines Erachtens nach auch in der Architektur widerspiegeln.

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