Nils Strunk als herrlich jugendlicher, darstellerisch wendiger Don Karlos.

"Don Karlos": Nachtdienst im Burgtheater

Kusejs Schiller-Inszenierung schenkt den Worten jeden Raum, den Augen wenig, beeindruckt und quält das Publikum: mit drei großartigen Darstellern, aber einem merkwürdigen Marquis von Posa.

Posa und Don Karlos sind tot, nach fast fünf Stunden ist es vollbracht. Stunden fast vollständigen Dunkels, in denen das spärliche Licht in der Mitte der Bühne manchmal nur ein Zugeständnis an die menschliche Natur zu sein scheint – man soll die Schauspieler ja doch irgendwie sehen können. Schwer tun soll sich das Publikum hier ganz offensichtlich mit dem Sehen, auch das Programmheft demonstriert es, das edel aussieht, aber kaum lesbar ist (zumal für das doch vorwiegend ältere Publikum des Burgtheaters): goldbraune Lettern auf dunkelbraunem Grund.

In der Aufführung aber braucht man die Worte nicht zu sehen, man hört sie. Eindrucksvoll hat ihnen der Regisseur und neue Burgtheater-Intendant Martin Kusej jeden nur möglichen Raum gegeben. Seinem aus dem Münchner Residenztheater mitgebrachten “Don Karlos” sieht man die Herkunft aus dem bürgerlichem Trauerspiel - von dem sich Schiller in seinen Entwürfen sukzessive entfernte - gar nicht mehr an. Es ist pures Ideendrama, wo auch die Körper von schwarzen Kostümen entleibt werden, ganz zu schweigen von Requisiten - die gibt es praktisch nicht. Nur eine blaue Wand, bestehend aus lauter an Speere erinnernden Spitzen, taucht als Kulisse von Beziehungsqualen auf, und ein riesiger rechteckiger Luster schwebt leuchtend über den Köpfen wie am tiefschwarzen Nachthimmel ein bedrohliches Ufo. Und zwischendurch fliegen, wenn durch Philipps Mannen Menschen fallen, kleine Drohnen herum, sie leuchten in den Zuschauerraum, als Grußbotschaft wohl vom Regisseur: Denkt ihr, ihr braucht die totale Macht heute nicht zu fürchten? Was sagt denn die zunehmende Überwachung über die Freiheit aus in unserer aufgeklärten Demokratie?

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