In 30 Jahren über 400 Menschen begraben: Martin Schlembach.
Totengräber

„Als Papa zu graben begann“

Frühmorgens bis zum Sonnenuntergang steht mein Vater Martin zu Allerheiligen vor dem Friedhof. Manche stecken ihm etwas Trinkgeld zu. Jeder im Dorf weiß, dass man sich's mit seinem Totengräber gut stellen muss.

Allerseelen. Heute ist Papas Geburtstag, und wie jedes Jahr besuche ich ihn auf dem Friedhof. In seiner schwarzen Uniform steht er vor der Totengräberkammer, bietet Blumen und Grabkerzen an und schenkt Schnaps aus, damit sich die Leute wärmen können. Es ist kurz nach Mittag. Nur noch vereinzelt kommen Menschen – meist Auswärtige, die schon vor langer Zeit das Dorf verlassen haben und am Vortag andere Gräber besuchen mussten. In wenigen Minuten werde ich meinem Papa dabei helfen, die übrig gebliebenen Gestecke wegzuräumen und dann mit ihm zum Wirtshaus meines Onkels gehen, um auf ein weiteres Jahr und seine Pension anzustoßen.

Bereits viele Tage zuvor hat die Hochphase im Friedhofskalender begonnen. Menschen, die sich das ganze Jahr kaum um ihr Familiengrab gekümmert haben, sind mit Gartenguerillaausrüstung angerückt: hektisches Treiben, volle Mistkübel, immer mehr Lichter. Zu Allerheiligen steht Papa frühmorgens bis zum Sonnenuntergang vor dem Friedhof. Die Leute begrüßen ihn freundlich. Es werden kurze oder längere Gespräche geführt. Wie es Brauch ist, stecken ihm manche etwas Trinkgeld zu. Jeder im Dorf weiß, dass man sich es mit seinem Totengräber gut stellen muss.

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