Für den Verfassungssprecher der ÖVP, Wolfgang Gerstl, zeige die neue Liederbuch-Affäre, wie „tief der Antisemitismus in der Zanger-Burschenschaft verankert“ sei. Die Landespolizeidirektion Steiermark hat Ermittlungen wegen Verdachts des Verbrechens nach dem Verbotsgesetz aufgenommen.
Der Druck auf den steirischen FPÖ-Abgeordneten Wolfgang Zanger in der Liederbuch-Affäre wird größer. Da hilft auch das Bemühen der FPÖ nicht, die Aufmerksamkeit auf den politischen Mitbewerb zu lenken. Am Freitag fordert auch ÖVP seinen Rücktritt. Anlass waren neu bekannt gewordenen Liedtexte. Für ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl zeigen die neuen Textpassagen, "wie tief der Antisemitismus in der Zanger-Burschenschaft verankert ist" und machen dessen Rücktritt unausweichlich.
Die "Krone" zitierte am Freitag weitere, teils obszöne Texte aus dem Liederbuch. So heißt es etwa an einer Stelle: "Polenmädchen sind verboten. Judenschicksen sind tabu, eine Stute zu besteigen, lässt der Veterinär nicht zu." Oder: "Von der Ferne kamen die Franzosen mit Kunstglaspinseln in den Hosen, Germanen aus dem fernen Bayern mit Hackenkreuzen (sic) auf den Eiern" und weiter: "Entlastet ist der Nazipimmel, der frei bleibt vom Rassenfimmel."
"Die neuen Passagen sind an Antisemitismus kaum zu überbieten, hier muss es ganz klar Konsequenzen geben. Wolfgang Zanger muss zurücktreten und aus allen Parteiämtern ausscheiden. Weigert sich Zanger, ist Norbert Hofer am Zug", sagte Gerstl in einer Aussendung.
Verharmlosung sei unter jeder Kritik
"Dass FPÖ-Politiker versuchen, die widerlichen Texte mit fadenscheinigen Vergleichen zu verharmlosen, ist unter jeder Kritik und zeigt die mangelnde Geschichtskenntnis der Partei", so Gerstl weiter. "Wir lassen also sicher nicht zu, dass die FPÖ hier Geschichtsverfälschung betreibt, um von den inakzeptablen Verfehlungen ihrer Abgeordneten abzulenken."
Zur Kritik, dass eines der Lieder auch in katholischen Verbindungen in Verwendung war, stellt Gerstl klar: "Das besagte Lied wurde in der alten Form im Jahr 1939 von deutschen katholischen Studenten im Untergrund geschrieben und zwar als Schmählied gegen die Nazis und wurde als solches auch verwendet. Seit den 80ern war diese Klarstellung auch in den Fußnoten der CV-Liederbücher zu finden, später wurde es ganz aus den Büchern genommen. Im Gegensatz dazu haben es nationale schlagende Verbindungen unter anderem mit antisemitischen Strophen angereichert und damit die Bedeutung quasi umgekehrt."
Das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung in der Steiermark hat in der Liederbuch-Affäre Erhebungen eingeleitet. Es wird gegen unbekannte Personen wegen Verdachts des Verbrechens nach dem Verbotsgesetz ermittelt, hieß es seitens der Landespolizeidirektion Steiermark.
Auf einen Blick
Im Landtagswahlkampf in Niederösterreich 2018 wurde ein 300 Seiten starkes Liederbuch der Verbindung „Germania zu Wiener Neustadt“ publik, das unter anderem die Zeilen enthielt: „Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: ,Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million.'“ Udo Landbauer, damals FPÖ-Spitzenkandidat und Mitglieder der Germania, beteuerte, von den Texten nichts gewusst zu haben, trat allerdings von allen politischen Funktionen zurück.
Nachdem die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt wegen NS-Wiederbetätigung gegen vier Personen, die für die Zusammenstellung und Illustration der sichergestellten Liederbücher der Wiener Neustädter Burschenschaft verantwortlich zeichneten, im August eingestellt worden waren, kehrte Landbauer im Februar 2019 als Gemeinderat in die Wiener Neustädter Kommunalpolitik zurück. Er übernahm die Funktion des geschäftsführenden Obmanns des FPÖ-Landtagsklubs. Im September 2018 wurde Landbauer auch zum geschäftsführenden Landesparteiobmann bestellt.
Am 30. Oktober 2019 berichtete nun die „Kronen Zeitung“ über ein Kompendium aus dem Besitz der Verbindung „Pennales Corps Austria zu Knittelfeld" bekannt, das neonazistische, antisemitische und österreichfeindliche Texte enthält. Mitglied der Burschenschaft ist der steirische FPÖ-Nationalratsabgeordneter Wolfgang Zanger. Er will sich von dem Buch nicht distanzieren, denn: „Distanzieren kann ich mich nur von etwas, das ich selbst geschrieben, gesagt oder getan habe.“
(APA/DPA)