Am Herd

Weiße alte Männer

Um ein „weißer alter Mann“ zu sein, muss man nicht zwangsläufig weiß, alt und männlich sein.
Um ein „weißer alter Mann“ zu sein, muss man nicht zwangsläufig weiß, alt und männlich sein.(c) imago images / ZUMA Press
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Um ein „weißer alter Mann“ zu sein, muss man nicht zwangsläufig weiß, alt und männlich sein. Machen Sie diesen 15 Punkte umfassenden Test. Erkennen Sie sich wieder?

MeToo geht Ihnen zu weit. Hat denn jemand die Frauen auf die Besetzungscouch gezwungen? Warum haben sie nicht Nein gesagt? Und warum fällt Missbrauchsopfern der Missbrauch erst nach Jahren wieder ein? Auf diese Fragen gäbe es Antworten, aber die interessieren Sie nicht.

Sie haben auf Facebook ein Posting geteilt, in dem ein Vater von seiner klimabewegten Tochter erzählt. Er unterstützt sie! Deshalb hat er die Heizung im Kinderzimmer abgedreht und das WLAN gleich dazu. Sie fanden das sehr lustig. Und so treffend!

Sie sind gegen Political Correctness und nennen die Omas gegen rechts „hysterische alte Weiber“. Aber wenn Sie jemand „weißer alter Mann“ nennt, sind Sie empört.

Sie finden, Greta Thunberg bekomme zu viel Aufmerksamkeit, und nennen sie nur „diese Greta“.

Sie finden, Carola Rackete bekomme zu viel Aufmerksamkeit, und nennen sie „diese Kapitänin“.

Zu viel Aufmerksamkeit bekommen auch: die Radfahrer, die Nichtraucher, die Schwulenbewegung und der Feminismus.

Quoten? Welche Frau mit Selbstachtung möchte wegen der Quote befördert werden, fragen Sie. Dabei haben Sie Ihren Job nur, weil es damals noch nicht so viele Architektinnen, Ärztinnen, Physikerinnen gegeben hat, die Ihnen Konkurrenz hätten machen können. Und wenn, hätten die gegen Sie keine Chance gehabt. Weil. Sie. Ein. Mann. Sind.

Flirten. Sie beklagen sich gern darüber, dass Flirten heute so kompliziert ist, und vergessen dabei, dass Sie früher jung waren, keinen Bauch vor sich hertrugen, und Ihr Haar war damals auch dichter.

Sie halten den Antisemitismus für einen islamischen Import. Und Frauenfeindlichkeit auch. Sie finden, Muslime passen nicht in unser Land, und halten das nicht für rassistisch.

Überall sehen Sie Verbote. Dabei gab es früher mehr. Schwule durften zum Beispiel noch vor Kurzem nicht heiraten. Aber das zählt für Sie nicht, da geht es ja nicht um Ihr Recht, im Restaurant anderen den Rauch ins Gesicht zu blasen.

Eigentlich könnten Sie zufrieden sein. Sie verdienen gut, jedenfalls besser als viele andere, Ihre Arbeit ist interessant, jedenfalls interessanter als die der meisten, trotzdem fühlen Sie sich übervorteilt. Und jetzt drängen auch noch diese Jungen nach und wollen Ihren Job.

Überhaupt die Jungen! Sie sind zu ehrgeizig, zu angepasst, zu unpolitisch. Oder wollen nix hackeln, widersprechen dauernd und demonstrieren. Statt in die Schule zu gehen!

„Das wird man wohl noch sagen dürfen!“, rufen Sie. Klar. Tun Sie eh dauernd. Aber dann wird man Sie dafür auch kritisieren dürfen.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

www.diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2019)

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