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So schön kann Trübsalblasen sein: Die besten melancholischen Filme auf Netflix & Co.

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Novemberbeginn, Wettersturz: Kein Grund zur Traurigkeit! Oder doch – aber dann wenigstens mit einem Schuss Genuss. Fünf Filmempfehlungen für mehr oder weniger gestandene Melancholiker.

Moonlight

Von Barry Jenkins, 2016
Zu sehen auf Netflix

Melancholie ist derzeit nicht sehr angesagt. Zugegeben: Wirklich hip war der Gemütszustand, dessen Name auf das hippokratische Krankheitsbild der „Schwarzgalligkeit“ zurückgeht, nie – steht er doch im Widerspruch zu jeder Form lebensbejahender Hochstimmung. Doch die unablässigen Bemühungen der Kunst, ihm Ausdruck zu verleihen, zeugen von seiner unverbrüchlichen Verankerung im Menschlichen. Jeder, der nicht nur auf das Hier und Jetzt aus ist, kennt das Gefühl: als hätte man etwas Wesentliches verloren und dessen Ersatz noch nicht ausgemacht. Ein Empfinden, an dem man sich laben kann, aus dem sich sogar kreative Energie ziehen lässt. Im Kino lässt sich besonders bildschön Trübsal blasen. Oscars gewinnt man damit aber nur in Ausnahmefällen. 2017 gelang es einem Film, der melancholisch ist wie nur was: „Moonlight“. Das in drei Kapitel gegliederte Drama erzählt vom Erwachsenwerden eines schwarzen Jugendlichen in Miami – zwischen Drogenmilieu, Schulalltag und erster Liebe zu einem Gleichaltrigen. In schwelgerischen Sequenzen, die zuweilen an den Hongkonger Chefmelancholiker Wong Kar-Wai erinnern, taucht man in seine Innenwelt ein. Eine behutsame Selbstsuche, geleitet von neonblauen Hoffnungsschimmern.

Broken Flowers

Von Jim Jarmusch, 2005
Zu sehen auf Sky

Drifter, Sehnsuchtsvolle und Heimatlose: Das Roadmovie ist ein Zentralgenre der Melancholie. Jim Jarmusch hat es in den 1980ern neu definiert, angespitzt mit trockenem Humor. Schon sein Durchbruch „Stranger Than Paradise“ handelte von jungen Umherirrenden, im Taxi-Reigen „Night on Earth“ (1991, zu sehen auf Amazon) globalisierte er sein Konzept. Langsam kommt Jarmuschs Stil in die Jahre (siehe „The Dead Don't Die“). Doch in „Broken Flowers“ war noch alles da: der Witz, der Charme, die Traurigkeit. Bill Murray tuckert als alternder Don Juan durch die US-Pampa, fahndend nach seinem verlorenen Sohn – und wie so oft sagt sein regloser Gesichtsausdruck alles, was es zu sagen gibt.

Atmen

Von Karl Markovics, 2011
Zu sehen auf Flimmit

Ein 19-Jähriger, der wegen Totschlags im Jugendgefängnis einsitzt, sucht zwecks Bewährung nach einem Job – und findet Beschäftigung bei einem Bestatter. Dort tastet er sich, auf täglicher Tuchfühlung mit dem Tod, Schritt für Schritt wieder ins Leben zurück. Karl Markovics' vielfach preisgekröntes Regiedebüt ist nach wie vor seine beste Arbeit, getragen von starken Schauspielleistungen (Thomas Schubert in seiner Durchbruchsrolle, Georg Friedrich als bärbeißiger Kollege). Und einer deckenden Atmosphäre, die weniger niedergeschlagen wirkt als schwerelos, perfekt gefasst im ikonischen Plakatmotiv des Films: Die Hauptfigur, knapp über dem Boden eines tiefen Schwimmbads treibend.

Schreie und Flüstern

Von Ingmar Bergman, 1972
Zu sehen auf Amazon

Melancholie war einst ein Synonym für Depression – bevor besagter Ausdruck klinisch in Gebrauch gelangte. Und bei Depression kommt einem im Kunstkino-Zusammenhang eigentlich immer Ingmar Bergman (1918–2007) in den Sinn, dessen 100. Geburtstag 2018 weltweit begangen wurde. Bergmans weitläufiges Schaffen ist längst zum Klischee geronnen: verbitterte Menschen, die hilflos Erlösung heischen – und sich mit Worten zerfleischen. Harter Tobak! Ob's am kontrastreichen Schwarz-Weiß liegt, das die meisten Filme des Schweden auszeichnet? Eher nicht. Denn „Schreie und Flüstern“, eine seiner schönsten Arbeiten, beeindruckt mit satten Farben – und ist trotzdem trostlos wie ein Tränental.

Stalker

Von Andrei Tarkowski, 1979
Zu sehen auf dem Youtube-Kanal von Mosfilm

„Woher weiß ich, was ich will? Und woher soll ich wissen, dass es dann wirklich das ist, was ich will? Oder dass ich tatsächlich nicht will, was ich nicht will? Das sind alles ungreifbare Dinge: Man braucht sie nur zu benennen, und ihr Sinn verschwindet, schmilzt, löst sich auf wie eine Qualle in der Sonne.“ Diese Sätze, gesprochen vom namenlosen Schriftsteller aus Andrei Tarkowskis sowjetischem Science-Fiction-Klassiker „Stalker“, könnte sich wohl jeder gestandene Melancholiker vorbehaltlos als Mantra auf die träge herabhängenden Fahnen schreiben. Der Zweifel an der Fassbarkeit Gottes, der Welt, der eigenen Existenz; das Gleiten durch einen nebeligen Äther stetiger Unbestimmtheit – all das sind Grundpfeiler melancholischer Atmosphäre. Und Tarkowskis Film erweckt eine solche mit unerreichter Könnerschaft zum Leben, zieht uns an der Seite dreier postapokalyptischer Daseinswanderer in das philosophische Fegefeuer einer moosüberwachsenen „Zone“, wo Wasser aus den Wänden tropft und (fast) alle Gewissheiten im müden Dunst der Zeit dahinschwinden. Eine alterslose Glanztat des spirituellen Kinos, kostenfrei, untertitelt und in guter Qualität einsehbar auf dem YouTube-Kanal des russischen Filmstudios Mosfilm.

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