Quergeschrieben

Wie halten es Türkis und Grün mit Kunst und Kultur?

Die Sondierungsgespräche gehen dem Ende zu. Die Begriffe Kunst und Kultur sind bisher allerdings noch niemandem über die Lippen gekommen.

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Türkis-Grün ist eigentlich alternativlos. Und? Gut. Nicht erst seit der jüngsten Liederbuchaffäre haben die braungeränderten Blauen als Juniorpartner auf längere Zeit hoffentlich ausgesungen, die Attraktivität der zwischen Obfraudiskussionen, internen Richtungsstreitereien und niederschmetternden Wahlergebnissen torkelnden SPÖ ist, derzeit jedenfalls, enden wollend. Und vielleicht päppelt das neue K.-u.-K.-Dream-Team als kleines Chanukka- und/oder Weihnachtspräsent ja auch das zerzauste Pflänzchen Demokratieverständnis wieder auf und überbrückt die Gräben, die seit dem Präsidentschaftswahlkampf, vor allem aber seit dem türkis-blauen Intermezzo und dem letzten Qualkrampf das Land spalten. Respekt statt Verachtung, miteinander reden statt übereinander herziehen, divergierende Standpunkte nicht als Kampfansage, sondern als Bereicherung verstehen, Kompromisse suchen und schätzen, zuhören statt dauerempört sein: Ja, das wäre aufregende, aber unaufgeregte Politik, mit vermutlich erfreulichen Auswirkungen auf die allgemeine (Diskussions-)Kultur.

Fünf Hürden stehen im Sondierungsparcours: Bildung, Klimawandel, Migration, Transparenz und Wirtschaft. Was bisher genau niemandem in den Sinn und über die Lippen gekommen ist, sind allerdings die Wörter Kunst und Kultur. Doch worauf verständigen sich die zwei Koalitionäre, falls sie doch noch über Kulturpolitik nachdenken? Welche unterschiedlichen Vorstellungen, türkisen Ziele, grünen Visionen stehen zur Debatte? Wie wirkt sich eine globalisierte Kulturindustrie auf die kulturpolitische Gestaltung einer türkis-grünen Regierung aus? Welcher Stellenwert wird − abseits von „Kunst ist ein Wirtschaftsfaktor“-Beschwörungsformeln und „Wir schaffen Rahmenbedingungen“-Absichtserklärungen − Kunst und Kultur, Künstlerinnen und Künstlern, Zeitgenössischem, Denkmalpflege, Museumsneuordnung, Theater, Buchpreisbindung, Musikschaffen, Regionalkulturförderung, Künstler(un-)sozialversicherung etc. zugestanden? Ein paar stimmungsaufhellende Wortspenden wären echt nicht schlecht.

0,6 Prozent des Gesamthaushaltes fließen ins Kulturressort. Die Verteilungsgerechtigkeit zwischen großen Tankern, kleinen Institutionen und Einzelpersonen ist suboptimal. Abgesehen von ein paar Happy Few lebt die überwiegende Mehrheit der Kunstschaffenden, egal welcher Sparte, an der Armutsgrenze, meist sogar darunter. Einer der Sondierer ist Ex-Kulturminister Gernot Blümel. Vor ziemlich genau einem Jahr konstatierte er anlässlich einer Studie über die soziale Lage der Künstlerinnen und Künstler (5000 Euro netto Jahreseinkommen) bestürzt Reformbedarf und versprach „die Ankurbelung privaten Engagements im Kulturbereich im Rahmen der kommenden Steuerreform“. Und? Sollten Türkis und Grün bei ihren Steuerplänen nicht auch darüber ein paar Takte reden?

Was geschieht mit dem für 2020/21 geplanten Förderschwerpunkt „Kunst & Kultur im digitalen Raum“? Der Bund wollte von dem dafür veranschlagten Fünf-Millionen-Budget immerhin die Hälfte stemmen. Auf den Verhandlungstisch damit! Wird es, analog zu den Bundestheatern, tatsächlich einen Generalsekretär für die Bundesmuseen geben? Und wenn ja, mit welcher Job-Description? Der Posten hätte ja in der zweiten Jahreshälfte ausgeschrieben werden sollen. Was wurde aus der Idee einer österreichischen Kulturstiftung? Die Kommerzialisierung und Eventisierung der Kunst sollte Thema sein, das Haus der Geschichte, die Restituierung kolonial belasteter Objekte, Besetzungsmodi, um Peinlichkeiten wie beim KHM (Stichwort: Eike Schmidt) künftig zu vermeiden?

Die Liste offener Baustellen ist lang. Die prospektiven Regierungspartner sollten ihr, wenn schon nicht in den Sondierungsgesprächen, so spätestens in den Koalitionsverhandlungen ausreichend Gesprächszeit und Platz im Ehevertrag einräumen.

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